Nachgefragt : Wie digitalisiert ist die Metallbranche?

Kloeckner Metals Austria Markus Kerbler
© Kloeckner Metals Austria/Günther Linshalm

FACTORY: In welcher Form ist Kloeckner Metals Austria ein Vorreiter der Digitalisierung in der Metallbranche?

Markus Kerbler: Die Metallbranche ist bzw. war eher konservativ ausgerichtet. Mit der Digitalisierung sahen wir die Chance, den Wandel als Vorreiter aktiv zu gestalten. Unsere digitalen Tools wie Onlineshop, Kontraktportal oder auch Bestellübersicht werden einem immer breiteren Kundenkreis verfügbar gemacht. Und das kommt sehr gut an. Mit diesen Tools erzielten wir im letzten Jahr bereits einen digitalen Umsatzanteil von über 30 Prozent. Das ist eine Verdoppelung im Vergleich zu 2019. Im Jahr 2020 launchten wir unseren Klöckner Assistant, der automatisch und selbstlernend PDF-Bestellungen in unser ERP-System einspielt. Insgesamt erreichten wir 2020 mit allen unseren Tools einen Online-Anteil von über 50 Prozent.

FACTORY: Was wird Kunden durch die Kontraktplattform, den Onlineshop und die Bestellübersicht geboten, was andere Unternehmen nicht bieten?

Kerbler: Das Wichtigste zuerst: Unsere Kunden haben jederzeit Zugriff auf unser digitales Angebot. Im Onlineshop wird nicht nur unser komplettes Programm abgebildet, sondern auch zusätzlich etliche Spezialitäten unserer deutschen Schwesterhäuser und unserer diversen Geschäftspartner. Unsere Kunden haben jederzeit Einsicht auf die eigenen Kontraktbestände, können diese sofort abrufen und auch online neu anfragen. Von der Bestellübersicht können die Rechnungen, Lieferscheine und auch die Werkszertifikate heruntergeladen werden. Also besteht für unsere Kunden eine 100-prozentige Übersicht über das eigene Bestellverhalten. Über 70 Prozent unserer Kunden haben sich online bereits bei Kloeckner Metals Austria registriert und nutzen zumindest einer unserer digitalen Tools. Zusätzlich haben wir unseren Shop für Anbieter von Komplementärprodukten geöffnet und die Marktplatz Funktion gelauncht. Diese Anbieter haben ohne großen Aufwand sofort die Möglichkeit mit dem B2B-Geschäft zu starten und das ohne großes Wissen im E-Commerce. Unsere Kunden bekommen somit alles aus einer Hand. Also eine Win-Win Situation für alle Beteiligten.

FACTORY: Abgesehen vom Kunden – wie wird Digitalisierung bei Kloeckner Metals Austria selbst gelebt? Wie hoch ist der Digitalisierungsgrad im Unternehmen?

Ich denke wir haben bereits einen sehr hohen Digitalisierungsgrad erreicht. Wir durchleuchten alle unsere Prozesse und bereits viele davon sind digitalisiert. Schließlich geht es hierbei um unsere Zukunftsfähigkeit. Nur wer sich frühzeitig digitalisiert, zählt am Ende zu den Gewinnern. Zusätzlich machen wir unsere Mitarbeiter fit für die Digitalisierung. Bei Klöckner + Co wurde die „Digital Academy“ ins Leben gerufen, um alle Mitarbeiter aktiv an der digitalen Transformation teilhaben zu lassen. Es werden Onlinekurse zu Digitalthemen angeboten, die die Mitarbeiter während der Arbeitszeit absolvieren können.

FACTORY: Auf Ihrer Website werden 100.000 Lieferpositionen beziffert. Wie gelingt die Vernetzung ebendieser?

Kerbler: Jede Lieferung besteht durchschnittlich aus 2,5 Lieferpositionen. Das bedeutet, dass täglich 160 Kunden von uns Material angeliefert bekommen. Um die Qualität der Lieferposition in Bezug auf Termintreue und Vollständigkeit beizubehalten, müssen wir beim Wareneingang, bei der Kommissionierung und bei der Verladung gut vernetzt sein. Unserer Betriebsleitung und unsere Logistiker stehen diverse Kennzahlen bezüglich Outputs, Auslastung, verfügbare Ressourcen unserer Anarbeitungsaggregate, zukünftiger Wareneingang, die abgearbeiteten Positionen bzw. die noch zu erwartenden Positionen gleichzeitig und immer aktuell zur Verfügung.

FACTORY: In Ihrem Lager befinden sich rund 3.200 Artikel. Wo befindet sich dieses Lager und wie sieht die Automatisierung in diesem aus?

Kerbler: Alle unsere A-Artikel werden in Österreich bevorratet. Wir haben zwei Lager, in Wien bzw. in Neumarkt/Wallersee, mit einer gesamt Lagerfläche von ca. 11.000 Quadratmetern. Natürlich wird papierlos mit einer Scanner-Lösung gearbeitet. Im Schwerpunktlager Wien haben wir seit vielen Jahren ein Hochregallager. Alle sonstige Aggregate – Stangensägen, Plattensägen, Foliermaschine, sind auf dem aktuellen Stand der bestmöglichen Effizienz und werden wenn möglich immer wieder nachgerüstet. Wir machen uns fit für die Industrie 4.0 und müssen somit unsere vorhandenen Maschinen und Anlagen in die neue digitale Welt integrieren.

FACTORY: Stichwort Industrie 4.0 und Smart Factory: Wo sehen sie besonderes Entwicklungspotenzial und wohin wird sich Ihrer Ansicht nach die Metallbranche entwickeln?

Kerbler: Zuerst müssen die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Stichwort Ausbau 5G. Die Umsetzung für eine Fabrik mit Hirn wird nicht einfach sein. Viele Prozesse sind nach wie vor nur teilweise oder gar nicht digitalisiert. Die hohen Investitionskosten und natürlich auch der Zeitmangel schrecken oft zurück, aber ich glaube, dass sich Österreich international gesehen nicht verstecken muss Es muss nur verstanden werden, dass die Digitalisierung zukünftig ein Wettbewerbsvorteil mit sich bringen wird.

FACTORY: Und abschließend... Wie positioniert sich Ihrer Auffassung nach die österreichische Metallbranche derzeit und was braucht es für die erfolgreiche, österreichische Metallindustrie von morgen?

Kerbler: Ich denke die Positionierung ist schon sehr gut. Das sieht man auch an viele großartige Unternehmen in Österreich, die in Ihren Segmenten Weltmarktführer sind. Darauf können wir stolz sein. Um den Standard aufrechtzuerhalten bzw. noch auszubauen, benötigt die Metallindustrie meiner Meinung nach die richtige politische Rückendeckung, viele innovative und mutige Unternehmer, die auch den Respekt und die Unterstützung dafür verdienen und natürlich extrem wichtig sind gut ausgebildete Mitarbeiter*innen.