Unternehmensstrategie : Welche Pläne Friedhelm Loh für Rittal hegt

Rittal Fertigung Rittershausen
© Rittal

Hunderte graue Betonpfeiler trotzen derzeit im hessischen Haiger dem Winter. Betonpfeiler, die schon 2018 zu Dr. Friedhelm Lohs wohl größtem Coup werden könnten. Denn genau hier will der deutsche Unternehmer und Firmengründer der Friedhelm Loh Gruppe den entscheidenden Meilenstein für sein wohl erfolgreichstes Unternehmen setzen. In Haiger entsteht nämlich ein neues Rittal-Werk, dass eine Hommage an Industrie 4.0 verkörpern soll. Haiger soll die modernste Kompaktgehäusefertigung mit optimaler Logistikanbindung (das Zentrallager dazu steht bereits) beherbergen. Dank intelligenter Vernetzung schleusen sich Bauteile dort selbstständig durch das Werk. Störanfälligkeitsalgorithmen sollen ganze Anlagen präventiv steuern und intelligente Transportsysteme einen stabilen Warenfluss garantieren können.

Drei Werke werden geschlossen

Schon im April auf der Hannover Messe verkündete Loh, dass es bei Industrie 4.0 jetzt darum ginge, Lösungen zu implementieren und Geschäftsmodelle zu verdeutlichen. Worte, die der charismatische Unternehmer nun auch umsetzen will. Finanziell hält er sich dabei nicht zurück. Satte 140 Millionen Euro steckt er in das neue Werk seiner Cashcow Rittal. Eine Kehrseite: Die bisherigen Werke in Herborn, Rennerod, Wissenbach und Burbach werden geschlossen – oder wie es Loh nennt „in das neue Werk integriert“. Nur 100 Stellen verspricht man bei Rittal zu verlieren. Diese sollen sozialverträglich abgebaut werden. Der Rest der Belegschaft wird übernommen. Schon heuer wird das erste Werk geschlossen werden. Der Verschiebeplan steht bereits. Geht es nach Rittal, soll der Kunde selbst, von dieser Veränderung der Wertschöpfung nichts merken.

Rittal verstärkt die IT

Industrie 4.0 dient dabei als Selbstzweck. Denn seit 2009 kämpft auch Rittal mit der wirtschaftlichen Stagnation. Trotz eines beachtlichen Umsatzes von 1,8 Milliarden Euro (im Jahr 2016) will das Unternehmen noch stärker wachsen und sich vor allem global besser positionieren. Die Order des Firmengründers ist klar: „Rittal soll zum lokalsten globalsten Serienfertiger werden.“ Und Haiger dafür der strategische Mittelpunkt. Mit Europa als Rückenstärker liebäugelt Rittal längst mit fernen Märkten wie USA und China. In Trump's Versprechen, die amerikanische Wirtschaft wieder anzukurbeln, wittert Hans Sondermann eine Chance für sein Unternehmen. Der Geschäftsführer für Vertrieb, Marketing bei Rittal global will die deutlich unterpräsentierten Marktanteile (derzeit im einstelligen Prozentbereich) in den USA überproportional steigern. „Auch ohne TTIP“, verspricht Sondermann, mit nicht ganz vergessenem Ärger über hiesige Politik.

Die ungelegten Eier Rittals

Türöffner könnte ein neues Produkt werden, für das in Haiger bereits eigene Produktionslinien in Planung sind. Nähere Details über das neue Produkt gibt es derzeit nicht. Nur soviel verrät Sondermann: „Die digitale Automatisierung der Schaltschrankproduktion wird Dreh- und Angelpunkt neuer Entwicklungen werden. Software wird noch wichtiger.“ Auf Kosten der Industrielandschaft soll die IT bei Rittal noch stärker wachsen. Gerade in Europa sieht Sondermann eine Verschiebung von fünf Prozent zugunsten der IT. Dies deckt sich auch mit kürzlich getätigten Investitionen von Firmengründer Loh. So beteiligte dieser sein Unternehmen Rittal an der deutschen Innovo Cloud, ein Anbieter von privaten Cloud-Lösungen für mittelständische Unternehmen. Mit der Beteiligung will sich Rittal noch stärker als Lösungsanbieter schlüsselfertiger IT- und Cloud-Infrastrukturen positionieren.

Rittal’s Minenpläne

Doch eine andere Investition gilt bei Insidern als noch richtungsweisender. Auf 120.000 Quadratmetern entsteht in Måløy an der Westküste Norwegens, Europas späte aber dafür umso mächtigere Antwort auf amerikanische Rechenzentren. In einer aufgelassenen Mine, der Lefdal Mine (LMD), entsteht ein Datenzentrum der Superlative. Gekühlt durch einen Fjord gilt es energietechnisch als Vorzeigeprojekt. Das ehemals abgebaute Metall dient als zusätzlicher Statikverstärker und macht Lefdal damit noch sicherer. Und das muss das Rechenzentrum auch, gilt es doch als Ausgangspunkt der dringend benötigten Breitbandstrategie Europas. Neben SAP, HP und IBM witterte auch Friedhelm Loh seine Chance. Als einer der Ersten beteiligte sich sein Unternehmen Rittal an der Mine. Die Betreiber von Lefdal setzen bei der IT-Infrastruktur flächendeckend auf standardisierte Rechenzentrums-Module. Vorgefertigt, geprüft, bestückt, skalierbar und schnell geliefert - eben das „Rechenzentrum-To-Go“. Und das fertigt Rittal gemeinsam mit dem Betreiber der Mine und IBM. Containerweise werden derzeit diese standardisierten Rechenzentren basierend auf der Lösung RiMatrix S geliefert. In der ersten Ausbaustufe sollen rund 3.000 Container zum Einsatz kommen. Im August gehen die Ersten davon bereits ans Netz. Der Beginn der Industrialisierung von Rechenzentren durch Rittal.