Live auf der Instandhaltungskonferenz : Was Salvagnini Maschinenbau von Mercedes lernte

Salvagnini Kunze
© Wolfgang Simlinger

Mit seinem Auto ist Wolfgang Kunze schon vernetzt. Seit 2015 das „Mercedes me“-Portal online ging, hat der technische Leiter von Salvagnini Maschinenbau den besten Draht zu seinem Fahrzeug. Am Smartphone sieht er seinen Verbrauch, kennt seinen Reifendruck, weiß um die Batterieleistung, kann die Klimaanlage fernsteuern und ist diebstahlgeschützt. Dass er dabei seine Daten mit Mercedes teilt, stört ihn weniger. „Es ist eine Win-win-Situation.“ Davon ist Kunze überzeugt und macht sich die Autoindustrie zum Vorbild. Ganz ähnliche Wege gehen die Ennsdorfer nämlich mittlerweile, wenn es um ihre Blechbiegeautomaten geht. Eine neue Internet-of-Things (IoT)-Lösung steht in den Startlöchern: Sie hängt die Aktuatoren, die Hauptantriebe und damit das Herz der Maschinen, an die Cloud. Salvagnini kann damit nicht nur präventiv warten und Maschinenstillstände vermeiden, die Ennsdorfer Maschinenbauer wollen damit branchenspezifische Entwicklungen kräftig vorantreiben.

Ping-pong-Wartungsspiel

Ob Ferndiagnose, mobile Visualisierung oder Echtzeit-Überwachung: Salvagnini-Kunden können mittlerweile aus einem bunten Strauß an Instandhaltungsmöglichkeiten auswählen. Zugute kommt den Maschinenbauern dabei, dass sie auf eine historisch gewachsene Datenbank zurückgreifen können. „Darin haben wir alle elektrischen und pneumatischen Schemata vernetzt“, erklärt Kunze. Tritt also ein Problem auf, zeigt die Diagnose, wo der Fehler liegt. Per Foto-dokumentation wird der Kunde dann an die richtige Stelle geführt. „Und sollte das nicht reichen, kann immer noch ein Salvagnini-Mitarbeiter per Teamviewer auf die Maschine zugreifen“, versichert der CTO. Indem die Biegeautomaten mittlerweile mitprotokollieren, welche konkreten Temperaturen oder Drehzahlen in den Antrieben gewirkt haben, können die Maschinenbauer auch präventiv eingreifen. Ein Ping-Pong-Wartungsspiel, wo die Maschinen also rechtzeitig mitteilen, ob Komponenten nachjustiert oder getauscht werden müssen.

>>>> Mehr dazu verrät Wolfgang Kunze LIVE auf der Instandhaltungskonferenz in Linz.

Maschinen, die sich melden

Im „Maintenance Manager“, einer Eigenentwicklung, zeigen die Maschinen ihren Bedienern den prozentuellen Countdown bis zur nächsten Wartung. Schmierintervalle, Ersatzteile, Verschleiß: Die Maschine sagt, wann sie serviciert werden will. Dabei berechnet Salvagnini großzügige Grenzwerte und das nicht ohne Grund: „Denn nicht immer schmiert der Kunde, wenn die Maschine geschmiert werden soll“, weiß Kunze aus Erfahrung. Wer also beim fünften „Schrei“ der Maschine nichts unternimmt und dadurch einen Schaden verursacht, trägt die Kosten selber. Was streng klingt, ist dennoch serviceorientiert: „Kunden wollen keine Stillstände und wir möchten einen proaktiven Service bieten“, rationalisiert es Kunze. Der technische Leiter schneidet damit die, wie er es nennt, „höhere Schule“ der Instandhaltung an. Predictive Maintenance ist ein Traum, der im Ennsdorfer Werk schon sehr fein gesponnen wird. Vor einem Jahr fingen die Maschinenbauer an, die Aktuatoren, also Hauptantriebe ihrer Biegeautomaten, mit einer IoT-Lösung an die Cloud zu hängen. Kunze erklärt es so: „Mittels QR-Code kann damit zu jeder Zeit das vernetzte Prüfprotokoll der Maschine abgerufen werden.“ Eine Condition-Monitoring-Lösung, die nicht nur zeigt, wie sich die Parameter entwickelt haben – „sie kalkuliert aus den Daten den Wirkungsgrad der Maschinen und erstellt Prognosen“, so Kunze.

Echtzeitbasierte Kommunikation

Dass damit ganz neue Möglichkeiten zutage treten, weiß man im Ennsdorfer Werk ganz genau. Denn wer auf die Log-Files vieler verschiedener Kunden zugreifen kann, kann nicht nur Prognosen erstellen, „wir wollen damit branchenspezifischer entwickeln“, verrät der CTO. Genau diese Branchenprognosen waren immer schon schwierig. „Bei Maschinen, die in Losgröße 1 produzieren, aufgrund eines Ausreißers eine statistisch vernünftige Prognose für die Lebenserwartung von Komponenten zu erstellen, ist fast unmöglich. Wenn aber 100 Maschinen einer Branche Daten liefern, können Abweichungen früher erkannt werden und somit der drohende Maschinenstillstand abgewendet werden“, bringt es Kunze auf den Punkt. Die Ennsdorfer sind also auf das Feedback ihrer Kunden angewiesen. Ein Feedback, dass sie sich jetzt mithilfe der Cloud von ihren weltweit verteilten Maschinen selber holen möchten. Im Moment mag diese Transparenz noch auf Skepsis bei manchem Kunden stoßen, dass sich das aber bald in einer Win-win-Situation auflösen wird, davon ist der CTO überzeugt. Die Autoindustrie habe das bereits bewiesen.

>>>> Mehr dazu verrät Wolfgang Kunze LIVE auf der Instandhaltungskonferenz in Linz.

Neue Geschäftsmodelle

Zwar mag es bei Salvagnini, so schätzt Kunze, noch drei bis vier Jahre dauern, bis sie einen entsprechenden Datenpool gesammelt haben, trotzdem locken die Möglichkeiten. Denn wer in der Lage ist, Maschinen zu vergleichen, kann „seine Kunden schon im Vorfeld über eine Abnormalität aufklären und damit ungeplante Stillstände vermeiden“. Doch das ist noch nicht alles: Manche Kunden gingen mittlerweile sogar schon so weit, dass sie mit den Salvagnini-Daten die Performance ihrer weltweiten Werke untereinander vergleichen wollten. Die Ennsdorfer selbst wollen die Daten vorwiegend nutzen, um die Lebensdauer von Komponenten prognostizieren und damit branchenspezifischer entwickeln zu können. Was den Maschinenbauern erlaubt, ihre Garantiepakete und Wartungsverträge in völlig neue Bahnen zu lenken.

Status Quo Salvagnini Maschinenbau

Was sie schon meistern: Das clevere Auswerten und Visualisieren von Maschinendaten (Log-Files), um branchenspezifische Prognosen für die Lebensdauer von Maschinenkomponenten zu erstellen.

Womit sie noch kämpfen: Ihre Kunden davon zu überzeugen, Daten preiszugeben, um vorbeugende Instandhaltungsmaßnahmen setzen zu können, um Stillstände zu vermeiden.