Nachgefragt : Warum hat Österreich so wenig Neuentwicklungen am Markt?

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Im Interview, Ludovit Garzik. Er ist Geschäftsführer des Rates für Forschung und Technologieentwicklung (RFT). Der RFT berät die österreichische Bundesregierung und arbeitet Vorschläge für die langfristige Strategie im Bereich Forschung und Technologieentwicklung aus. Eine nicht minder brisante Position, denn im Juni wurde im Parlament der Forschungs- und Technologiebericht 2019 vorgestellt, der auch kritisiert. Forschung, Technologie und Innovation (FTI) standen waren stets Teil des politischen Interesses. Eine gute Bühne für Politiker, die sich gerne mit der Innovationspower Österreichs rühmen. Positiv im diesjährigen Bericht: Die hohe Zahl erfolgreich umgesetzter Maßnahmen. Aber: Das Ziel der Innovationsführerschaft wird nicht erreicht. Woran es hapert, verrät Garzik im Interview mit Factory.

Herr Garzik, das gesetzte Ziel, Innovationsleader zu werden hat Österreich verfehlt. Warum?

Ludovit Garzik: Österreich war zu langsam. Der Druck war nicht ausreichend für die rechtzeitig Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen. Österreich hat zwar erfolgreich mehr in Forschung und Technologie investiert. Der entsprechende Output wurde aber nicht generiert.

Das Ziel der FTI-Strategie 2020 ist es aber nicht Input-Leader zu werden, sondern Innovationsleader.

Garzik: Richtig. Deswegen ist es wichtig zu investieren. Aber, wenn andere Regionen mit demselben Input einen höheren Output schaffen, muss man sich fragen was bei uns im System verloren geht und warum. Wirtschaftlich ist das nicht so stark sichtbar, da die Wirtschaftsbereiche Handel und Tourismus diese Schwächen überdecken. Technologische und industrielle Entwicklung ist jedoch wichtig für die nachhaltige Entwicklung eines Landes.

Wie hat es Singapur im Innovationsranking in so kurzer Zeit auf Platz Eins geschafft?

Garzik: Singapur hat Rahmenbedingungen etabliert, die für internationale Spitzenforscher ideal sind. Das Land hat auch den Vorteil ein sicherer Hafen für Geld zu sein. Die Verfügbarkeit des Geldes erleichtert selbstverständlich die Arbeit an Neuem. In Europa ist so ein sicherer Hafen immer schon die Schweiz.

Seit kurzem Innovationsweltmeister.

Garzik: Richtig. Aber zurück zu Singapur, dort unterscheidet sich das Bildungssystem von dem in Europa, Australien und teilweise auch zu dem von China. Ein entscheidender Punkt, wenn es darum geht Forschungsergebnisse in eine ökonomische Verwertung zu bringen.

Ist heimischen Unternehmen bewusst, dass die Technologieführerschaft auf dem Spiel steht?

Garzik: Ja, aber für viele ist der Lösungsweg noch nicht sichtbar. Sie sind auf der Suche nach dem richtigen Umgang mit den Herausforderungen, z.B. bei Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Viele warten darauf was am Markt passiert.

Warten Unternehmen zu lange, wird es für sie zu spät sein.

Garzik: Im Moment sind viele Unternehmen zu sehr auf die eigene Region konzentriert. Die Leute gehen zu wenig hinaus. Sie kennen nur jenen kleinen Ausschnitt der Welt, in dem sie sich wohlfühlen. Aber kein Seminar ersetzt, was man lernt, wenn man sich ein paar Tage in einem anderen Innovationsökosystem befindet. Das ist eine CEO-Aufgabe. Eine Abteilung auszusenden, nützt in einem solchen Fall nichts. Das Management muss selbst das kulturelle Wissen aufbauen, erst dann können die Werkzeuge antizipiert werden.

Zeichnet sich eine Innovations-Krise ab?

Garzik: Österreich wird zwar immer innovativer. Dummerweise werden andere schneller besser. Damit überholen uns im Jahr ein bis zwei Länder und wir fallen im Ranking zurück. Natürlich haben die PolitikerInnen recht, wenn sie sagen: „Ja, aber wir werden ja eh besser.“ Das stimmt. Aber nach dem andere schneller besser werden, verlieren wir im globalen Wettbewerb. Was noch dazu kommt. Wir sind eine Wissensgesellschaft, aber noch keine Innovationsgesellschaft. Wir schaffen es noch nicht, das Wissen, das in unserer Gesellschaft erzeugt wird, so zu verwenden, dass es den richtigen Output liefert.

Österreich weist heute die zweithöchste Forschungsquote Europas aus. Betrachtet man die Output-Indikatoren könnte man meinen, dass es trotzdem nach hinten los gegangen ist. Ausgaben werden immer höher, der wirtschaftliche Erfolg bleibt aus. Ein schlechtes Vorzeichen, das an die Immobilienblase der USA erinnert?

Garzik: Der Vergleich mit dem amerikanischen Real-Estate-System liegt nahe. Dort waren die Rollen sehr klar verteilt: Wer darf eine Hypothek erhalten, wie wird evaluiert, in welcher Höhe, in welcher Region und wie wird bewertet. Und es gab für jede dieser Rollen professionelle Organisationen (Beratungs- und öffentliche Organisationen). Eine Rolle war jedoch nicht besetzt. Die Rolle, die schaut, ob das Geld wieder zurückkommt. Nachdem diese Rolle nicht vergeben war, fehlten wichtige Informationen. Die Blase konnte wachsen und wachsen, bis der Punkt erreicht war wo es kein Zurück gab. Die Bewertungen fielen in den Keller.

Besteht eine hohe Parallelität zu unserem Forschungsförderungssystem?

Garzik: Definitv. Die Rolle, den Output zu beobachten, existiert nicht. Es gibt keine Institution, die die Frage stellt: Wie wurden F&E-Gelder ökonomisch verwertet bzw. welcher Nutzen wurde erzeugt? Die Beobachtung des Outputs würde dazu dienen die Aufmerksamkeit zu steigern und den Druck der Veränderung zu erhöhen. Mit der FTI-Strategie 2030 wird der Output stärker ins Zentrum rücken.

Welchen Nutzen hätte die Beobachtung des Outputs für Unternehmen?

Garzik: Unternehmen hätten den Vorteil, dass die Region als Standort stärker wird und damit auch die Wertschöpfungsketten in der Region. Geschieht das nicht, wandern Teile der Wertschöpfungsketten in andere Regionen ab und die Unternehmen müssen mittel- oder langfristig mitziehen. Beispielsweise gibt es jetzt in der E-Mobilität eine starke Verschiebung Richtung China. Die Folge, Zulieferer von bestimmten Einzelteilen (Komponenten, Schrauben, Kugeln, etc.), müssen sich mittelfristig an dieser Wertschöpfungskette orientieren. Womöglich macht es dann irgendwann keinen Sinn mehr, an einem österreichischen Standort zu forschen.

Vielen Dank für das Gespräch! Das Gespräch führte Doris Könighofer.