Komponentenherstellung : Warum Escha seinem Komponentengeschäft treu bleibt

Marco Heck Escha
© Escha

Herr Heck, aus nahezu jedem Komponentenhersteller wird heute von der Marketingabteilung ein Lösungsanbieter gemacht. Was halten Sie davon?

Marco Heck: Die Weiterentwicklung von einem Komponentenhersteller zu einem Lösungsanbieter sollte eher nicht marketinggetrieben sein. Solange ein Komponentenhersteller innerhalb seiner Kernkompetenz bleibt und durch seine Weiterentwicklung einen Mehrwert für seine Kunden bietet, ist das eine positive Entwicklung. Sobald es sich aber um eine marketinggetriebene Evolution handelt, werden die Kunden das ganz schnell merken und ihre Konsequenzen ziehen.

Braucht ein Lösungsanbieter einen Warenkorb voller Komponenten?

Heck: Nicht unbedingt. Es ist ein Partner, der seinen Kunden in einem abgegrenzten Bereich die gewünschte Lösung liefert. Wenn ich mich selbst als Lösungsanbieter bezeichne, muss ich mir immer die Frage stellen „Woraus besteht eine Lösung?“ Und diese Lösung liegt nicht in einer Vielzahl von Produkten, sondern darin, die Aufgabenstellung eines Kunden zu verstehen und zu lösen.

Interessant ist, dass Escha auf diesen Zug nicht lauthals aufspringt. Warum nicht?

Heck: Wenn Sie mit lauthals marketinggetrieben meinen, dann haben Sie Recht. Natürlich ist Escha auch ein Lösungsanbieter. Aber eben in der von mir beschriebenen Form und in einem spezialisierten Bereich. Wenn Sie Anschlusstechnik verkaufen möchten, dann müssen Sie meistens Anforderungen von zwei Seiten aufnehmen.

Die da wären?

Heck: Auf einer Seite haben Sie vielleicht einen geschützten Bereich, wie zum Beispiel einen Schaltschrank. Dort werden geringere Schutzanforderungen nach IP20 gestellt. Auf der anderen Seite sind Sie in der Feldebene, wo unsere Steckverbinder nach IP67 oder höher ausgelegt sein müssen. Unsere Herausforderung besteht dann darin, dass sich die Kunden beim Maschinendesign häufig erst am Ende des Entwicklungsprozesses um Connectivity kümmern und nicht von Anfang an. Um beim Kunden als Lösungsanbieter wahrgenommen zu werden, müssen wir die Geräteseite soweit verstehen, dass wir die passende Anschlusstechnik liefern können.

Phoenix Contact versucht sich im 3D-Druck, Weidmüller will in die Instandhaltung: Welche neuen Geschäftsfelder tun sich bei Escha auf?

Heck: Die Ursprünge von Escha liegen in der Automatisierungsindustrie. Daher beherrschen wir die Technologie staub- und wasserdichter Anschlusstechnik. Die Vorteile dieser Technologie lassen sich auch auf Branchen übertragen, die in der Vergangenheit gar nicht oder nur wenig auf umspritzte Anschlusstechnik gesetzt haben.

Wie zum Beispiel die Bahnindustrie?

Heck: Richtig, aber auch die Windindustrie. Momentan wird die Steckverbinderentwicklung vor allem von neuen Technologien angetrieben. Hierzu zählen insbesondere auf Ethernet basierende Kommunikationstechnologien sowie die dezentrale Powerverteilung. Eine unserer Kernkompetenzen liegt daher mittlerweile in der HF-gerechten Produktentwicklung und -prüfung.

Stichwort Kernkompetenzen: Muss Ihrer Meinung nach heute jeder Hardwarehersteller auch automatisch Software anbieten?

Heck: Wir sind ein sehr gutes Beispiel dafür, dass das nicht so sein muss. Da Software aber immer wichtiger wird, steigt auf Kundenseite die Nachfrage nach einer zuverlässigen und schnellen Datenübertragung. Hieraus ergeben sich neue Anforderungen für uns, wie zum Beispiel unterschiedliche Kommunikationsprotokolle. Wir müssen wissen, welche Umgebungsbedingungen sich aufgrund von Cloud-Technologien oder neuen Steuerungssoftwaren ergeben. Denn diese Bedingungen haben unmittelbare Auswirkungen auf unsere Produkte.

I/O-Verteiler, Ethernet-Stecker nicht gerade Wow-Produkte im Zeitalter der Digitalisierung. Wie behaupten Sie sich dennoch als Innovationsführer unter all den selbsternannten Digi-Meistern?

Heck: In der Digitalisierung fallen bereits seit längerer Zeit Schlagworte wie „Cloud Computing“, „Service on Demand“ oder „Internet of Things“. Diese Trends werden nur dann funktionieren, wenn es hoch-performante Netzwerke gibt. An dieser Stelle kommen wir mit unseren Verteilerbausteinen, Anschlussleitungen und Geräteschnittstellen ins Spiel. Die sehen auf den ersten Blick nicht unbedingt nach Wow-Produkten aus. Aber die Anforderungen an die Datenkommunikation und an die Energieverteilung steigen. Eine Vernetzung spielt nur dann ihre Vorteile aus, wenn auch die Qualität und Verfügbarkeit des Netzes gewährleistet wird. Komponenten von Escha bilden das Rückgrat der Vernetzung und Verteilung. Wenn Sie so wollen, sind sie das Fundament für eine gelungene Umsetzung von Industrie 4.0.

Fundament ist aber nicht gleich Innovationsführerschaft.

Heck: Nicht bei unseren Datensteckverbindern. Wir treiben einen derart hohen Entwicklungs- und Evaluierungsaufwand, dass wir das Maximum der kupferbasierten Anschlusstechnologien erreichen können. Heutzutage liegt das Gros der Anwendungen im klassischen Automatisierungsbereich noch bei Fast Ethernet – sprich 100MBit/s. Unsere Steckverbinder sind allerdings schon auf den nächsten Technologiesprung hin zu 1GBit/s bzw. 10GBit/s vorbereitet. Das heißt, in vielen Fällen sind wir bei Escha dem Status Quo voraus.

Das Jahr 2018 brachte mit 77 Millionen Gesamtumsatz wieder Rekordzahlen. Lassen Sie die negativen 2019er-Prognosen großer Konzerne kalt?

Heck: Von den teilweise negativen Prognosen einzelner Konzerne und Branchen spüren wir momentan nichts. Wie ich eingangs erwähnte, konnten wir mit unseren Produkten neue Geschäftsfelder und Branchen erschließen. Aber auch wir sehen für das laufende Jahr erste Konsolidierungsanzeichen. Allerdings weiterhin auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Daher planen wir für 2019 mit einem Zuwachs im hohen einstelligen Prozentbereich.

Vielen Dank für das Gespräch! Das Gespräch führte Elisabeth Biedermann.