Stefan Bergsmann : Warum die „Kultur des Scheiterns“ falsch ist

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Wenn Amazon-Chef Jeff Bezos stolz darauf ist, Milliarden US-Dollar für "kühne Projekte" in den Sand gesetzt zu haben, dann kann man denken, der hat leicht reden. Ein bisserl stutzig wird man allerdings, wenn der mit über 50 Mio. Euro Fremdkapital gescheiterte DiTech-Chef Damian Izdebski seine selbstverschuldete Großpleite mit einem Buch unter dem Titel "Meine besten Fehler" aufarbeitet und zur Belohnung noch in Talkshows eingeladen wird. Ebenso, wenn die deutsche Autorin Anja Förster am Industrietag in Linz Unternehmen zum Scheitern ermutigt und meint: "Der Schlüssel zu effizienter Innovation sei nicht weniger, sondern schneller zu scheitern".

Kein Unternehmer scheitert gerne

Geht ohne Scheitern denn heute gar nichts mehr? Ist das Fehlermachen das neue Mantra und die "Kultur des Scheiterns" wirklich das, was wir brauchen? Bezos ist nicht nur überzeugt davon, dass es ohne Scheitern keine Innovation gibt, sondern dass Unternehmen für ihren Erfolg immer größere Fehler machen müssen, je größer sie werden. „We have to grow the size of our failures as the size of our company grows.“ Aus Sicht des Unternehmensberaters ist das nicht nur dumm, sondern auch falsch und irreführend. Kein Unternehmer scheitert gerne. Projekte werden ja nicht mit dem Ziel verfolgt zu scheitern. Wer schon einmal gescheitert ist, weiß, wie weh das tut und wie verloren und allein man sich dabei fühlt.

Scheitern kann kein Ziel sein

Scheitern kann kein Ziel sein! Wer für eine Kultur des Scheiterns eintritt, verwechselt Ziel und Wagnis. Wer innovativ sein will und etwas Neues aufbauen möchte, will bestimmt nicht scheitern, sondern seine Ziele mit allen Mitteln zur Umsetzung bringen. Scheitern ist ein damit verbundenes Risiko, das man in Kauf nimmt und durch das man sich nicht von seinen Zielen abbringen lässt. In diesem Sinne ist Scheitern etwas, was passieren kann, während wir aber alles daran setzen, dass dieser Fall genau nicht eintritt.

Das Risiko ist schlichtweg inakzeptabel

Scheitern ist auch nicht überall erlaubt! In manchen Bereichen ist das Risiko schlichtweg inakzeptabel. Daher hinkt auch der Vergleich von Jeff Bezos mit der Lernphase von Kleinkindern, die durch ihr Scheitern lernen. Ja, Kinder scheitern oft und lernen daraus. Essenziell dabei ist, dass diese Art Scheitern niemanden weh tut und keine bedrohlichen Ausmaße annimmt. Das Kleinkind, das bei den ersten Schritten hinfällt und so gehen lernt, ist ein tolles Bild; das Kleinkind, das über einen Griff auf die Herdplatte lernt, was Hitze ist, wollen wir uns besser nicht vorstellen.

Verlust von Vertrauen und Reputation

Dasselbe gilt auch in Hochsicherheitsbereichen, wie in der Luftfahrt, im Zugverkehr oder in der Industrieproduktion, in denen es um Leben und Tod geht. In diesen Bereichen ist Scheitern etwas, das es mit allen Mitteln zu verhindern gilt. Oder auch dann, wenn teure Ressourcen, Kredite und Darlehen (Other People's Money) ohne ausreichende Sorgfalt aufs Spiel gesetzt oder getätigte Zusagen mutwillig gebrochen werden - dann ist Scheitern das, was zurecht zu einem Gesichtsverlust bzw. dem Verlust von Vertrauen und Reputation führt. Denn niemand kann weismachen, dass unüberlegte Innovationen und unsinniges Schuldenmachen der gerechtfertigte Preis für das Unternehmerrisiko sind.

Wer Scheitern verherrlicht, verwechselt den möglichen Ausgang mit den Handlungsoptionen, mit denen wir darauf reagieren können,

dass wir wieder aufstehen, uns von unserem Scheitern also nicht entmutigen lassen, sondern es erneut versuchen und

dass wir daraus lernen, sprich das was wir versucht haben, beim nächsten Versuch besser machen. Im Idealfall wollen wir ja jeden Fehler nur einmal machen.

Nur in Verbindung mit diesen beiden Elementen ist Scheitern etwas, was uns weiterbringen und zu Innovation führen kann. Verwerfen wir also den nervigen Aufruf zu einer „Kultur des Scheiterns“ und rufen wir eine „Kultur des Wideraufstehens und des Lernens“ aus. Dann macht das ganze Sinn.