Leitbetrieb Vorarlberg : Vorarlberg: Die Verknüpfungsprofis

Christian Beer
© Servus Intralogistics GmbH

Ein Klick in New York und die Maschinen in Zürich beginnen zu laufen. Mit was die Automobilproduktion schon lange wirbt, gilt nicht gleich für den Mittelstand. Doch Phonak, ein Hersteller von Hörgeräten, wickelt genau so seine individuellen Kundenwünsche ab. Tätigt der Kunden seinen Kauf beginnt mit Einscannen des Codes die Fertigung des Hörgerätes. Das Interessante dabei: Der Schweizer Hersteller weiß dabei zu jeder Zeit, wo sich das Hörgeräte-Werkstück befindet und welchen Produktionsschritt es gerade durchläuft. Dadurch, dass ein einziges System schnittstellenlos für den internen Materialfluss entlang der gesamten Wertschöpfungskette sorgt, können Prozesse ortsungebunden ausgelöst und begleitet werden. Ermöglicht hat das dem Hörgerätespezialist das Vorarlberger Unternehmen Servus Intralogistics.

Berühmt geworden sind die Dornbirner wegen ihrer Autonomous Robotic Carriers (ARC). Kleine autonome Roboter, die mittlerweile schon in dritter blauer Generation in den Lagern, Montageplätzen und Büros ihrer Kunden herumflitzen. Das aufstrebende Unternehmen hat sich auf automatisierte Intralogistik-Lösungen spezialisiert. Denn geht es um Industrie 4.0 legt Firmenchef Christian Beer sein Hauptaugenmerk auf die Verschmelzung von Produktions- und Intralogistikprozessen. „Und da gilt es die gesamte Supply Chain miteinzubeziehen“, so Beer. Die Vorarlberger reagieren damit auf einen Trend, der verstärkt im Zusammenhang mit Industrie 4.0 auftaucht. „Je mehr Varianten es gibt, desto kleiner werden die Losgrößen“, sagt Beer. „Wer diesem Trend möglichst effizient begegnen will, muss seine Produktion mit der Logistik vollständig verknüpfen und im Idealfall sogar einen automatisierten One-Piece-Flow realisieren.“

Zulieferanten parallel einbinden.

4.0-Ansätze hat Christian Beer aber nicht nur für seine Kunden wie Phonak realisiert. Auch für die eigene Produktionskette nutzt er diese schon lange. Egal ob maßgeschneiderte Förderbänder, Schutzzäune oder Linearachsen, die Dornbirner garantieren Bestnoten in Sachen Lieferzeit. Innerhalb von vier Tagen können sie jedes konfigurierte Förderband liefern, verspricht Beer. Möglich macht das ein spezieller Code, den der Firmenchef, wie folgt erklärt: „Während der Kunde online sein maßgeschneidertes Förderband konfiguriert, wird im Hintergrund ein generischer Code erstellt. Anhand dieses Gesamt-Codes erkennt jeder Lieferant, welcher Teil dieses Codes für ihn relevant ist und was das für ihn und das zu liefernde Teil bedeutet.“ Quasi parallel werden alle Akteure in den Produktionsprozess der Vorarlberger eingebunden. Und mithilfe dieses Codes, wissen sie auch welcher Motor, welches Band oder welches Getriebe bis wann zu liefern ist.

Ansätze in der Schwarmrobotik.

Ein weiterer Ansatz für eine smarte Verknüpfung von Produktion und Logistik sind die Entwicklungen in der Schwarmrobotik. Die dritte Generation der kleinen Roboter ACR3 agieren nämlich mittlerweile völlig autonom. Sie finden selbst den kürzesten Weg zu Quelle und Ziel. „Damit ein Warentransport immer in kürzester Zeit erfolgt, kommunizieren sie mit ihren Assistenten wie Weichen oder Hebern bevor sie benötigt werden um unnötige Wartezeiten zu vermeiden“, so Beer. So reduzieren sie Lagerbestände auf ein Minimum. Gerade die Intralogistik stehe bei vielen Optimierungsversuchen immer noch ganz hinten an. „Dabei liegt dort enormes Potenzial verborgen“, so Beer. Ein Beispiel aus seinem Kundenkreis beweist das auch. So hat erst kürzlich Schelling Maschinenbau einen Schwarm an ACR3 in Betrieb genommen. Das Hochregallager dort bietet rund 9.072 Stellplätze. Alle 50.000 Positionen werden jetzt vollautomatisch angefahren. 2014 schaffte der Sondermaschinenbauer ein Wachstum von fast 30 Prozent – „und das ohne sein Kleinteilelager vergrößern zu müssen“, so Beer.

Das Credo der Dornbirner: „Vom Wareneingang ins Lager über die Produktion bis zur Kommissionierung und zum Warenausgang sollten möglichst viele Schnittstellen beseitigt bzw. vereinfacht werden. Und dafür braucht es mehr Offenheit für neue Lösungen“, resümiert Beer. Er verweist dabei gerne auf die Chinesen. „Wir erkennen dort den Trend, dass der Druck nur noch die beste Lösung zu realisieren, immer stärker wird“, so Beer. Und der Osten gäbe sich schon lange nicht mehr mit der zweitbesten Technik zufrieden. Diese Bereitschaft der Chinesen könnte dem europäischen Industriestandort gefährlich werden. (EB)

Kurz und Knackig:

Das versteht Christian Beer unter Industrie 4.0

Prozesse verknüpfen. Daten und reale Automatisierung miteinander verbinden, um daraus Erkenntnisse in Echtzeit gewinnen zu können.

Was ist für Sie das Unwort des Jahres in Zusammenhang mit Industrie 4.0?

Datenschutz: Weil es einfach nicht realistisch ist.

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