Erich Markl : Unser Fachkräftemangel ist hausgemacht!

Erich Markl
© Matthias Heschl

Es ist nicht abzustreiten: Die Suche nach qualifizierten Fachkräften und technisch ausgebildeten Nachwuchskräften ist eines der größten Probleme der heimischen Wirtschaft und Industrie. In Österreich werden aktuell in den Sparten Industrie, Gewerbe sowie Information und Consulting 16.500 MINT-Fachkräfte gesucht - Tendenz steigend. Der akute Fachkräftemangel ist bereits jetzt in zahlreichen Unternehmen mit vollen Auftragsbüchern ein limitierender Faktor für weiteres Wachstum. Die Berechnungen der Industriellenvereinigung (IV) gehen davon aus, dass schon in diesem Jahr 15 Prozent der benötigten Fachkräfte in der österreichischen Industrie nicht nachbesetzt werden können. In Summe bleibt jede sechste Stelle für höher qualifizierte Bewerber im produzierenden Bereich der österreichischen Industrie unbesetzt.

Öffentliche Diskussion verkennt sowohl Problem als auch Lösung

In der öffentlichen Diskussion wird dieser Fachkräftemangel lautstark beklagt und es werden vielfältige Initiativen ins Leben gerufen, die die österreichische Jugend für MINT-Fächer begeistern sollen. Auch die FH Technikum Wien unternimmt gemeinsam mit dem Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) viel, um die Bekanntheit und Attraktivität technischer Studien zu erhöhen. Dazu gehört Informationsarbeit in Schulen, die spezielle Förderung von Programmen, die Frauen verstärkt in die Technik bringen sollen etc. - diese gemeinsamen Anstrengungen und der zweifellos attraktive Studienort Wien zeitigen nun Ergebnisse, die sich auch in den aktuellen Bewerberzahlen der FH Technikum Wien manifestieren: die FH Technikum Wien ist ausgebucht und platzt mit 4.400 Studierenden aus allen Nähten. Aber immer noch wird ohne sachliche Grundlage der Mythos gepflegt, dass junge Menschen sich nicht ausreichend für technische Ausbildungen begeistern würden und es daher gar nicht mehr Studienplätze brauche, sondern z.B. vielmehr Fachkräfte im Ausland gesucht werden müssten.

300 Informatik-Bewerber mussten abgewiesen werden

An der FH Technikum Wien haben sich für das Wintersemester 2018/19 fast 9.500 Personen für einen der 1.400 Anfängerplätze in den 30 Studiengängen interessiert. Besonders nachgefragt war dabei der Bachelorstudiengang Informatik. Hier gab es 1.113 Interessenten für 130 Studienplätze. Nach dem abgeschlossen Aufnahmeverfahren - der Überprüfung, ob die Zugangsvoraussetzungen überhaupt erfüllt werden, und nach Absolvierung eines Reihungstests - mussten letztlich fast 300 Informatik-Bewerber abgewiesen werden, darunter auch zahlreiche Frauen, denen zuvor kommuniziert wurde, wie dringend sie als Programmiererinnen gebraucht würden. Ähnlich große Nachfrage verzeichnen Studiengänge wie Wirtschaftsinformatik oder Biomedical Engineering, aber auch andere Engineering-Studiengänge wie Elektronik, Mechatronik/Robotik oder Maschinenbau haben mehr Bewerberinnen als Plätze.

Es braucht eine massive Aufstockung technischer FH-Studienplätze im Raum Wien

Angesichts der ungebrochen hohen Nachfrage nach technischen Arbeitskräften ist die Politik gefordert, einschlägige Studienplätze massiv und gezielt zu erhöhen. Die zunehmende Digitalisierung und die rasante Entwicklung von Emerging Technologies wie Data Science, Artificial Intelligence (AI), Machine bzw. Deep Learning, Internet der Dinge (IoT), Digitale Produktion, Autonomes Fahren, Assistive Robotik, eHealth, Digitale Assistenzsysteme, Speech Recognition, Blockchain etc. werden die schon hohe Nachfrage noch weiter anfachen. Der Ausbau des FH-Sektors sollte auch dort erfolgen, wo die Nachfrage von Studierwilligen und Unternehmen tatsächlich gleichermaßen gegeben ist. Das gilt insbesondere für den Raum Wien und für die FH Technikum Wien, die von der österreichischen Elektro- und Elektronikindustrie ins Leben gerufen wurde und Unternehmen in ganz Österreich mit qualifizierten Technikern versorgt.

Tragende Säule gegen den Fachkräftemangel

In den knapp 25 Jahren ihres Bestehens hat die FH Technikum Wien als einzige Fachhochschule Österreichs mit rein technischer Ausrichtung umfassende Infrastruktur, Kompetenzen und Partnerschaften aufgebaut. Sie ist bestens gerüstet, ein Wachstum der FH-Studienplätze speziell in den MINT-Fächern wesentlich mitzutragen. Die FH-Studiengänge sollen Absolventen in die Lage versetzen, die Aufgaben des jeweiligen Berufsfeldes dem Stand der Wissenschaft und den aktuellen und zukünftigen Anforderungen der Praxis entsprechend zu lösen. Damit finden Fachhochschulen die richtigen Antworten auf Fragen des Qualifizierungstransfers zwischen Ausbildungs- und Beschäftigungssystem. Doch wenn die öffentliche Diskussion weiterhin sowohl Problem als auch Lösung verkennt und uns in unseren Studienplätzen limitiert, können wir für die Weiterentwicklung des Standorts Österreich nicht den gewünschten Beitrag liefern. Hier braucht es ein Umdenken der Politik!