Algorithmus : Tieto & TU Wien entwickeln Facebook für Maschinen

Daniel Freiberger & Allan Hanbury
© Elisabeth Biedermann

Es soll das produktionstechnische Pendant zu Facebook werden. Wenn Daniel Freiberger seine Vision von Industrie 4.0 erklärt, benutzt der Industriestratege bei Tieto Austria gerne den Inbegriff der sozialen Netzwerke. Denn genau dort entstand auch die Idee für das 4.0-Strategieprojekt „Mill Workplace“ von Tieto. Historisch verbunden mit der Papierindustrie sucht der IT-Spezialist seit Jahren nach der ultimativen Mensch-Maschinen-Schnittstelle. Im Rahmen eines 1,5 jährigen FFG-Projekts im Verbund mit der TU Wien könnte ihm das jetzt auch gelingen. HISNI („Harnessing Information from Social Networks in Industry 4.0“) steht für das soziale Netzwerk von der Maschine für den Menschen. Ein cleverer, selbstlernender Algorithmus, der starre Regelwerke in Produktionshallen ablösen soll.

Was macht Facebook zum Vorbild?

Was auf Facebook die User machen, machen in der Fertigung die Maschinen und Systeme: „Sie kreieren eine Flut an Daten“, simplifiziert es Allan Hanbury, Senior Researcher am Institut für Softwaretechnologie und Interaktive Systeme (ISIS) an der TU Wien. Sein Ziel im FFG-Projekt ist es einen Algorithmus zu entwickeln, der diese Nachrichten nach Relevanz reihen kann. Für den Mitarbeiter eine echte Entscheidungshilfe. Denn die Zukunft am Shopfloor prognostiziert Freiberger ganz genau: „Fabriksmitarbeiter werden nicht mehr lange dazu da sein, um Arbeiten durchzuführen, sondern eher zu überwachen.“

HISNI soll dabei Vorschläge liefern, was als nächstes zu tun ist. „Wie bei einem Newsfeed in sozialen Netzwerken wird auch dem Fabriksmitarbeiter eine Reihe von Nachrichten aus der Maschinenwelt vorgeschlagen“, erklärt Freiberger das an Facebook angelehnte HISNI-Prinzip. „Ist es ein akutes Problem wird es nach oben gereiht“, erklärt Freiberger. Klickt demnach der Mitarbeiter auf die Nachricht werden ihm sofort Lösungen vorgeschlagen. Chatfunktion zum Maschinenhersteller sowie anderen Mitarbeitern inklusive. Seine Informationen und damit sein Wissen sammelt der Algorithmus aus sämtlichen Produktionsniederlassungen und den damit verbundenen Systemen. Als quasi cleveres Überwachungstool kombiniert er in der Azure-Cloud von Microsoft MES- wie ERP-Daten und füttert damit den Newsfeed seiner Benutzer. Der Mitarbeiter erhält diesen auf jedes gewünschte mobile Endgerät. Sicherheitsbedenken hat Freiberger dabei keine, ist doch die Cloud wandelbar. „Ob Public oder Private bleibt dem Kunden überlassen“, so Freiberger.

Ein völlig neuer Ansatz einer kognitiven Intelligenz

Entgegen von sogenannten Anbietern von Schichtbüchern (virtuell oder haptisch) soll HISNI die Schnittstelle Mensch neu definieren. Das interessante dabei: Der Algorithmus lernt vom Menschen und dessen Intuition. „Mithilfe der geklickten Nachrichten bzw Analyse der Texte“, konkretisiert es Hanbury. In Feldversuchen soll sich HISNI die nötigen Informationen direkt von der Fertigungsebene aneignen. In Schweden könnte damit schon bald das erste „Living Lab“ dazu entstehen. „Bei einem Anlagenbauer für Papiermaschinen soll HISNI evaluiert werden“, so Freiberger. Auch ein österreichischer Anlagenbauer gab bereits sein Interesse bekannt, verrät der Tieto-Stratege.

2 Anwendungsszenarien für HISNI

HISNI hilft bei Maschinenausfall

Ein Mitarbeiter einer Papierfabrik arbeitet seine täglichen Aufgaben ab, als plötzlich auf Produktionslinie 1 zwei Maschinen ausfallen. Früher musste der Mitarbeiter ohne fundierte Grundlage entscheiden, welche Maschine als Erste repartiert werden muss. Dem Mitarbeiter wird die Maschine deren Fehler die größte Auswirkung auf die Produktion hat als die Wichtigste vorgeschlagen. Gleichzeitig wird er auch mit Lösungsansätzen versorgt. Dies ermöglicht schnellere Wartungsarbeiten und vermeidet etwaige Stillstände in der Produktion. Der Algorithmus automatisiert und erleichtert Entscheidungen.

HISNI hilft bei Ursachenforschung

Ein internationaler Produktionsbetrieb hat Niederlassungen auf der ganzen Welt. Derzeit arbeiten diese Niederlassungen nur sehr rudimentär zusammen, obwohl einige der Niederlassungen das gleiche Setup an Maschinen und Systemen haben. So haben die Betriebe in Österreich und Russland die gleiche Produktionsstraße. Fällt nun in Russland eine Maschine aus, wird mit Hilfe des Mill Workplace bzw HISNI eine Ursachenforschung durchgeführt. Die durch das Team erarbeitete Lösung wird abgespeichert und fliest in das digitale Wissensmanagement ein. Fällt nun in Österreich die gleiche Maschine aus, hilft der Algorithmus dabei den Fehler zu kategorisieren und gleichzeitig die Problemlösung (in diesem Fall aus dem Werk in Russland) vorzuschlagen. Dadurch werden langwierige erneute Ursachenforschungen vermieden und Produktionsstillstände verkürzt.