Event-Reporter : Technologieforum 2018: Der Erfolg der Vergangenheit ist der Fluch der Zukunft

Apfalter
© DHK / Martina Draper

Günther Apfalters Appell auf dem Deutsch-Österreichischen Technologieforum 2018 war klar: Wer die betriebswirtschaftliche Wucht der Digitalisierung überleben will, muss nicht nur seine Geschäftsmodelle dynamischer und schnelllebiger machen, er muss seine Mitarbeiter dafür begeistern. "Sie auf allen Ebenen mitnehmen", so der Präsident von Magna International Europe. Was mittlerweile jeder große Konzernchef, der einen Vortrag zum Thema "Digitale Transformation" hält, von der Bühne postuliert, zeigt, wo es immer noch hapert: "Unser Bildungssystem muss da mithalten können", warnt der Magna-Chef. "In Österreich tut es das nicht." Circa 230 Lehrlinge bildet der Automobilkonzern derzeit aus, fängt dabei von ganz von vorne an. "Lesen, Schreiben, Deutsch", zählt Apfalter auf. Die Frage: Müssen Unternehmen tatsächlich den Job von Bildungseinrichtungen übernehmen?

Magna Steyr will alle Mitarbeiter mitnehmen

Geht es um das Thema Digitalisierung investiert der Konzern viel: Informations-Roadshows also eine zielgruppenspezifische Informationsweitergabe an all seine Mitarbeiter. Wohlgemerkt über 10.000 allein in Österreich. Dabei gilt für den Automobilzulieferer das Prinzip "Push and Pull". "Diese Informationsweitergabe darf nicht nur in eine Richtung erfolgen", so der Magna-Chef. Idealerweise würde man das noch mit dem Faktor Begeisterung paaren. Denn - "die Firma ist nicht dazu da die Mitarbeiter zu motivieren, sondern die Mitarbeiter müssen motiviert in die Firma kommen", so Apfalter. Sonst laufe etwas schief. Für Personalentwicklung, interne Kommunikation opfere er immerhin eine Stunde seines durchschnittlichen Acht-Stunden-Tags.

Einzelhändler ohne eigene Produkte bestimmen den Markt

"Wer den 'Demand' kontrolliert, kontrolliert das Geschäft. Denn wer die Dienstleistungen, Produkte liefert ist jederzeit austauschbar." Alexander Bockelmann, CIO der Uniqa Insurance Group skizziert eine trockene Wahrheit. "Der Erfolg der Vergangenheit ist für viele der Fluch der Zukunft." Gerade Plattformen wie Alibaba und Amazon beweisen dies aufs Schärfste. Sie kappen den Kontakt zum Endkunden. Sind die mächtigsten Einzelhändler ohne eigene Produkte. Dass sich auch das Geschäftsmodell von Versicherungen ändert, macht Bockelmann deutlich. Weg vom Produkt hin zum Serviceprovider. Beispiele wie Munich RE die kürzlich das IoT-Start-up Relayr um 300 Millionen Dollar gekauft haben, um damit die Digitalisierung ihrer Kunden zu versichern, machen den Weg deutlich.

Ewige Baustelle Bildungssystem

In der nachfolgenden Pressekonferenz warnt Professor Wilfried Sihn, Geschäftsführer Fraunhofer Austria, dass die Industrie immer noch Hilfestellungen braucht. Das zeige allein das Interesse an der Industrie 4.0-Pilotfabrik in Aspern. "Heuer werde man noch die 10.000 Besucher Marke knacken", so Sihn. Österreichs Politik sei gefordert neue Strukturen aufzubauen. Die Frage: Wozu es dafür eine Digitalisierungsagentur braucht, steht im Raum. Es sei zwar gut, dass etwas gemacht wird, aber das Rad ständig neu zu erfinden, sei nicht sinnvoll, bemerkt Sihn. Die große Baustelle Bildungssystem ist auch am Technologieforum Thema: Was fehlt sei Flexibilität im Hochschulstudium, "aber auch Unternehmen sind gefordert Weiterbildungsmaßnahmen so weit runter zu brechen, damit jeder versteht, wohin er sich künftig fortbilden soll", erklärt der Fraunhofer-Chef.

Angstbesetzte Bilder konkurrieren mit hoffnungsbesetzten Bildern um die Wette

"Geht es um die Digitalisierung haben wir Menschen ein Trugbild der Beständigkeit im Kopf." Das was der Zukunftsforscher und Vorstandssprecher der Daimler und Benz Stiftung Eckhard Minx darlegt, trifft ins gesellschaftliche Herz. Wir würden vergessen, wie kurzfristig das alles ist. Die Digitalisierung sei wie ein Tsunami, der gerade über die Welt rollt. Dieser Tsunami muss anschaulich gemacht werden. "Das Thema muss auch weiterhin thematisiert werden", appelliert der Zukunftsforscher. Dass Regierungen noch immer zu träge auf diese doch schnellen gesellschaftlichen Veränderungen reagiere, beobachte er mit Sorge. "Diese Veränderungen fokussieren nicht nur auf Nationalstaaten", so Minx. Aber genau das sei politisch schwer zu vermitteln. Dennoch bei allen gesellschaftlichen Debatten rund um das Thema der digitalen Transformation sei das größte Problem immer noch der Mensch selber: Angstbesetzte Bilder konkurrieren mit hoffnungsbesetzten Bildern um die Wette. Dabei brachte es Musiklegende John Cage schon auf den Punkt: "Ich verstehe nicht, warum die Leute Angst vor neuen Ideen haben, ich habe Angst vor den alten Ideen." (eb)