Kommentar : Süß: Die Wirtschaftskammer als Wegbegleiter der Digitalisierung

Alice im Wunderland
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Ein "Montagsschmäh" war das wohl nicht. Endlich hat es also auch die Wirtschaftskammer geschafft, das Thema Digitalisierung auf ihre Agenda zu hieven. Mein Jubel ist etwas gedämpft: Sind ja nur fast sechs Jahre zu spät. (Immerhin fiel 2011 das erste Mal der Begriff Industrie 4.0, der jetzt verpackt im neuen Kleid als "Digitalisierung" erstrahlt.) Aber he - die "Digitale Transformation lässt sich nicht vermeiden" , so die Wirtschaftskammer (WKO) gegenüber der APA. Womit sie durchaus Recht hat. Zugegeben: In einzelnen Abteilungen mag das Thema schon vorher Anklang gefunden haben, aber dass sich der träge Kammern-Apparat nun endlich ganz offiziell die digitalen Agenden auf die Brust heftet, zeugt von Schwerfälligkeit.

Das Spiel mit der Angst wovor?

Die WKO will also den Unternehmen einmal mehr die Angst nehmen. Und die ist immer dieselbe: Ein Großteil der KMU befürchtet nämlich durch die Digitalisierung einen Jobabbau, heißt es nun auch in der Studie von WKO, Arthur D. Little, Hutchison Drei und dem KMU-Institutsvorstand der Wirtschaftsuniversität Wien. Obwohl ich ein digitaler Verfechter bin, diese Ängste sind durchaus berechtigt. Und das wird nicht nur ein KMU sondern auch die WKO-Beamtenreihen treffen. Denn dass die Digitalisierung für eine gewaltige Umwälzung am Arbeitsmarkt sorgen wird, ist allen klar. Dass sich Regierungen, wie mächtige Verbände immer noch nicht einig sind, wie sie das lösen wollen, wohl leider auch. Dafür sorgen derweil die Unternehmen wohl selber. Holte doch zum Beispiel ein oberösterreichischer Lohnfertiger mithilfe eines Roboters Wertschöpfung zurück nach Österreich. Baute zwar dadurch menschliche Arbeitskraft ab, kann sie damit aber in anderen Bereichen wieder aufbauen.

Digitale Neulinge

Süß wird es, wenn es um die "digitalen Neulinge" in der Studie geht. Das wäre zum Beispiel laut WKO ein Friseur, den man nicht über Google finden kann, der keinerlei Webpräsenz hat. Wer in die Kategorie "digital bewusst" fällt, weiß zumindest schon, dass man sich "digital transformieren" muss und setzt erste Schritte. Diese Betriebe arbeiten zum Beispiel an einer eigenen Homepage oder denken daran, soziale Medien für ihr Unternehmen zu nutzen. Letzteres mache hierzulande erst die Hälfte der KMU. Das hat Aussagekraft: Haben doch 1.700 Unternehmen an der Studie teilgenommen. In Österreich gibt es ja insgesamt nur etwas über 330.000 KMU. (Quelle: Mittelstandsbericht 2016 des BMWFW) Natürlich könnte jetzt argumentiert werden, für eine Stichprobe reicht das. Richtig, aber Stichprobe wovon? 1.700 Frisörbetrieben?

Was ist bitte ein digitaler Champion?

Laut Studie sind also "Digitale Champions" hierzulande die große Ausnahme. Gegenfrage: Ab wann ist den jemand ein digitaler Champion? Das wär in dem Zusammenhang schon interessant zu wissen. Denn ich finde, dass ein Mühlviertler Betrieb, der beim Bau seines neuen Werks einen Algorithmus über Erstinvestitionen und Ressourcenplanung entscheiden lässt, eigentlich schon als Vorreiter gilt. Davon auszugehen (und ich unterstelle das jetzt einfach der WKO als deren Auffassung eines "digitalen Champions), dass irgendwann ein Algorithmus ein komplexes Konstrukt, wie eine Fabrik steuert, nicht funktionieren wird, solange sich dort ein irrationales Wesen namens Mensch rumtreibt. Und das wird hoffentlich auch so bleiben. Zumindest die nächsten Jahrzehnte sicher.

Spannend wird es also ab Herbst, also (ähm) eigentlich jetzt: Die WKO will "Wegbegleiter in die Digitalisierung" spielen und umfassende landesweite Veranstaltungen und Digitalisierungs- sowie Beratungsförderungen geben. Mit nur sechs Jahren Verspätung schafft es also nun auch die mächtige Kammer ihr millionenschweres Budget anzukratzen, um den Unternehmen etwas zurückzugeben. Und ich hoffe dabei ganz stark auf mehr als die gängigen Powerpoint-Schlachten.(eb)