Energieeffizienz : Smartbow: Wie sich Kühe digital managen lassen

Wolfgang Auer Smartbow
© Smartbow / Wolfgang Simlinger

„Die Batterie muss ein Tierleben lang halten“, lautet die Vorgabe, die sich Smartbow-Gründer und -Geschäftsführer Wolfgang Auer selbst gegeben hat. Und das obwohl die Ohrmarke eine Vielzahl an Informationen liefert. Neben der Lokalisierung der Tiere auch Daten über deren Gesundheitszustand. Verantwortlich dafür ist ein Beschleunigungssensor, der die Bewegung der Ohren registriert. „Beim Fressen wackelt das Ohr anders als beim Trinken oder beim Wiederkäuen. Nuckelt ein Kalb an seiner Mutter, bewegt sich das Ohr wieder anders“, präzisiert Wolfgang Auer. Bei diesen typischen Tätigkeiten haben die Smartbow-Ingenieure die Tiere gefilmt und mit den Daten des Beschleunigungssensors abgeglichen. Daraus wurden mehrere Algorithmen zur Erkennung von Mustern entwickelt, die von Smartbow mit den Daten von mittlerweile zehntausenden Eartag-Rindern ständig weiterentwickelt werden. So registriert die Software etwa, wenn eine Kuh weniger frisst, seltener liegt oder mehr geht. „Dann bekommt der Landwirt auf seinem Computer oder Smartphone die Information, dass diese Kuh brünstig ist, besamt werden sollte und wo genau sie gerade ist“, nennt Auer eine typische Meldung. Auch die Früherkennung von lebensbedrohlichen Krankheiten oder Verletzungen kann so erleichtert und eine Behandlung umso rascher eingeleitet werden. Soll das alles ein Tierleben lang ohne Batteriewechsel funktionieren, ist natürlich höchste Energieeffizienz gefragt.

Sparsam und benutzerfreundlich

„Ein System, das den Gesundheitszustand der Tiere analysiert, deren genaue Position erfasst, um den Landwirt zu entlasten, führt sich ad absurdum, wenn er ständig mit Systemwartungen beschäftigt ist“, betont Wolfgang Auer. Da das angesichts der vielen Aufgaben für die Ohrmarke eine extrem sportliche Herausforderung war, wurde an vielen Schrauben gedreht, um den Energieverbrauch radikal zu senken. „Unser eigenes Entwicklungsteam hat den Algorithmus so angepasst, dass er mit sehr wenigen Daten auskommt, die Aktivitäten des Chips auf das absolute Minimum reduziert und alle unnötigen Fleißaufgaben eliminiert“, sagt Auer. So wird die Elektronik erst aktiviert, wenn sie tatsächlich am Ohr des Tiers zum Einsatz kommt. Komponenten, die nicht benötigt werden, bleiben ausgeschalten. „Nur die Realtime-Clock arbeitet permanent“, präzisiert Auer.

Stromfresser GPS

Zu erkennen, dass ein Kalb nicht an der Tränke oder eine Kuh nicht am Melkstand war, ist eine leichte Übung, die viele Systeme beherrschen. Diese Tiere in einer großen Herde zu orten, ist allerdings eine schwierige Herausforderung. GPS sei dafür aus zwei Gründen nicht in Frage gekommen, sagt Wolfgang Auer. „Einerseits funktioniert GPS in Ställen nicht zuverlässig genug. Andererseits ist das System ein echter Stromfresser.“ Smartbow setzt stattdessen auf ein 2,4 Gigahertz-Signal, das mit einem Zehntel der Energie auskommt. Lokalisierungschips in der Ohrmarke (Eartag) senden so genannte Blinks (kurze Sendeimpulse) an Basisstationen (Empfänger) im Stall oder auf der Weide. Aus den Daten von mehreren Empfängern errechnet der Smartbow-Algorithmus die genaue Position der Ohrmarke. Allerdings waren die im Eartag verbauten handelsüblichen Knopfzellen bei diesem Einsatz bereits nach wenigen Wochen erschöpft.

Start-Stopp-Automatik für Ohrmarke

Hauptverantwortlich dafür war der hohe Stromverbrauch, der jedes Mal entsteht, wenn Daten transferiert werden. Deshalb hat Smartbow die Häufigkeit der Datentransfers auf ein Minimum reduziert. „Wir übermitteln grundsätzlich im Sekundentakt Daten. Liegt die Kuh aber und hat ihr körperlichen Aktivitäten reduziert, sendet der Funkchip entsprechend weniger oft.“ Außerdem wurde das Funkprotokoll extrem kurz gehalten, was die Funkdauer auf das absolute Minimum reduziert. In den Pausen stellt auch die Ohrmarke alle Aktivitäten ein. Wolfgang Auer vergleicht das mit der Start-Stopp-Automatik. Wie ein Auto, das den Motor an der Kreuzung abstellt, während es auf Grün wartet, schaltet auch die Ohrmarke alle Funktionen auf Standby. „Die Ohrmarke steht sehr oft auf der Kreuzung“, präzisiert Auer. Nicht präzisieren will er allerdings, wie es gelungen ist, auch den Energieverbrauch beim Starten zu optimieren.

Folgenreiche Grundsatzentscheidung

Eine auf den ersten Blick schwer nachvollziehbare Grundsatzentscheidung beim Design des Gesamtsystems hat sich mittlerweile als goldrichtig erwiesen. Während andere Anbieter von Ortungssystemen – die meist am Bein oder am Hals befestigt sind – bereits berechnete Daten an die Basisstationen schicken, übermittelt der Smartbow-Eartag Rohdaten. Die Rechenleistung wird ausschließlich am lokalen Computer des Bauern erbracht. „Das hat den Nachteil, dass wir mehr Energie brauchen, weil das Senden mehr Strom benötigt als ein Rechenvorgang“, erklärt Auer. „Dafür muss unsere Ohrmarke aber keine Daten empfangen.“ Immerhin ist der Empfang doppelt so energieintensiv wie der Versand. Die ein bis zwei Mal pro Monat fälligen Softwareupdates belasten den Stromverbrauch der Smartbow-Ohrmarke also nicht, weil dieser nur auf den Computer des Bauern aufgespielt werden. Damit hat sich das Team um Wolfgang Auer einen unschätzbaren Startvorteil verschafft.

Wartungsfrei dank Solarenergie

Mit allen diesen Optimierungsmaßnahmen hält die Batterie im Eartag bis zu 38 Monate. Danach kann die Batterie unkompliziert getauscht und die extrem robust gefertigte Smartbow-Ohrmarke für das nächste Tier verwendet werden. Völlig autonom und ohne Batteriewechsel kommen freilich die Außenempfänger (Basisstationen) aus. Sie werden über Solarpanele versorgt und laufen jahrelang völlig wartungsfrei.

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