ERP System : SAP: "Wir wollen das Google der Businesswelt werden.“

Christoph Kränkl
© erichreismannphotography

Herr Kränkl, SAP ist dabei, sein Geschäftsmodell komplett umzukrempeln. Statt Softwarelizenzen zu kaufen, sollen Kunden Programme vermehrt aus der Cloud mieten. Ein krasser Wandel, wenn man bedenkt, dass sich seit den 90er Jahren ihre Softwarearchitektur nicht großartig verändert hat.

Kränkl: Unsere IT war traditionell sicherlich sehr stark auf On-Premise fokussiert und entsprechend wichtig war auch das Lizenzgeschäft. Allein in Österreich blicken wir hierbei auf eine 30jährige Historie zurück. Aber durch die Digitalisierung verändern sich die Geschäftsmodelle weltweit und Business Software muss Unternehmen dabei helfen, die digitale Transformation zu meistern. Damit dies gelingen kann, setzten wir gezielt auf Cloud-Lösungen. Durch die Cloud können sie schneller von aktueller und innovativer Software profitieren und agil bleiben. Unser Ziel: Wir wollen so einfach wie eine Amazon-Bestellung werden.

SAP so einfach wie eine Amazon-Bestellung? Gefällt mir, kann ich mir aber leider nicht vorstellen. Wie wollen Sie diese Vision in Lösungen gießen?

Kränkl: Allein durch den Markteintritt von Unternehmen wie z.B. Apple ist die Erwartungshaltung unserer Kunden hinsichtlich Oberflächen enorm gestiegen. Eine simplifizierte Usability verfolgen wir entsprechend des Ansatzes „Mobile first“. Das heißt alle Anwendungen werden zunächst für den Einsatz auf mobilen Endgeräten entwickelt. Ein Resultat dieses Ansatzes war SAP Fiori, welches durch ein modernes Design und einen vereinfachten, geräteunabhängigen Zugang besticht.

Aber Sie sagen selbst, nicht jedes Unternehmen wird diesen Weg der Cloud mitgehen. Welche Zukunft prognostizieren Sie diesen Wolken-Blockierern.

Kränkl: Es gilt zu bedenken: Ein On‐Premise‐Data Center ist eine teure Alternative verglichen mit der Cloud. Dieser Kostenfaktor, sowie die Flexibilität und die Agilität der Cloud überzeugt immer mehr Unternehmen. Viele tasten sich aber auch beispielsweise mit Hybrid-Lösungen an die Cloud heran. Das heißt, sie transferieren bestimmte Geschäftsbereiche in die Cloud, andere bleiben in On-Premise-Umgebung. Das funktioniert nicht nur simpel, sondern auch schnell und sicher.

Soll das jetzt heißen innerhalb von zwei Tagen von On-Premise zur Cloud?

Kränkl: Bei großen Konzernen wird das innerhalb von zwei Tagen nicht funktionieren, aber es geht verhältnismäßig schnell. Allein in Österreich hatten wir im letzten halben Jahr zwei Projekte, bei denen wir innerhalb von drei Monaten eine Cloud implementiert hatten.

Hinter ihrer Cloudstrategie steckt der Datenturbo Hana. Hana gibt es schon seit 2008. Man könnte das Gefühl bekommen, die Plattform hat den großen Durchbruch noch nicht geschafft.

Kränkl: SAP verzeichnete bereits Ende des vergangenen Jahres weltweit knapp 10.000 HANA-Kunden. Das zeigt uns: Immer mehr Unternehmen begreifen, wie wichtig der Faktor Real Time für ihre Geschäftsmodelle ist und in Zukunft sein wird.

Was in Anbetracht der Omnipräsenz einer SAP wenig ist....

Kränkl: Viele mittelständische und kleinere Unternehmen tun sich immer noch schwer, den Nutzen von SAP S/4HANA für ihr Geschäft zu erkennen. Manche sagen, sie hätten gerne mehr Praxisbeispiele von Unternehmen ihrer Größe. Das kann ich verstehen. Leider liegt genau hier das Problem: Einige Unternehmen haben zwar bereits in großem Maßstab mit der Einführung von SAP S/4HANA begonnen, diese Projekte brauchen jedoch ihre Zeit. Denn die meisten wollen die Einführung nutzen, um parallel ihre kundenspezifischen Erweiterungen auf den Prüfstand zu stellen. Das ist sinnvoll, um künftig die Wartungskosten zu verringern und Geschäftsabläufe zu straffen. Auf der anderen Seite gibt es die Neukunden, die von der Leistungsfähigkeit des Produkts beeindruckt sind und die niedrigeren Betriebskosten attraktiv finden. Allerdings sind genau diese Unternehmen häufig nicht Mitglied einer Anwendergruppe.

Mit Hana geben Sie erstmals Einblicke in ihre Strategie tiefer in die Fertigung vordringen zu wollen. Dort wo Sie hinwollen, tummeln sich ganz andere Unternehmen. Wie stellen Sie sich das vor?

Kränkl: Ja das stimmt. Unsere Heimat ist der Businessbereich. Aber gerade bei Industrie 4.0 sehen wir, dass eine Kopplung aus dem Businessbereich mit der Shopfloorebene immer wichtiger wird. Nur so können durchgängige Geschäftsprozesse funktionieren. HANA koppelt Geschäftsprozesse oben mit den Retailprozessen unten in der Fertigung. Indem wir beides mittlerweile in Echtzeit zur Verfügung stellen, können wir die Fertigung steuern. Das ist die Idee.

Mit dieser Aussage holen Sie sich ganz neue Mitbewerber auf ihre Agenda. Wo werden Sie sich mit einem Unternehmen wie Bernecker&Rainer treffen?

Kränkl: Bernecker & Rainer verfügt über tiefe Kompetenz in der Fertigung, d.h. in der Shopfloor Ebene. Unser Berührungspunkt liegt dort, wo die in SAP abgebildeten Planungsprozesse auf die Fertigungsebene treffen – vermutlich also beim Manufacturing Execution System (MES).

Wäre dann auch Cisco ein klassischer Mitbewerber?

Kränkl: Der Begriff Mitbewerber klingt recht negativ – ich würde Cisco als einen „Frenemy“ (Friend und Enemy) auf dem Markt bezeichnen, denn die gemeinsame Zusammenarbeit steht natürlich im Vordergrund. Zum Beispiel basiert das TIA-Portal von Siemens auf SAP-Technologie. Darauf entwickeln sie die nächste Generation für ihre Steuerungstechnik. Aber gleichzeitig sind wir mit ihnen in vielen Themen durchaus in Wettbewerbssituationen –vor allem im Rahmen der Fertigung. Und genauso verhält es sich mit Cisco beim Thema IoT.

Hinter ihrer Cloudstrategie steckt der Datenturbo Hana. Hana gibt es schon seit 2008. Man könnte das Gefühl bekommen, die Plattform hat den großen Durchbruch noch nicht geschafft.

Kränkl: SAP verzeichnete bereits Ende des vergangenen Jahres weltweit knapp 10.000 HANA-Kunden. Das zeigt uns: Immer mehr Unternehmen begreifen, wie wichtig der Faktor Real Time für ihre Geschäftsmodelle ist und in Zukunft sein wird.

Was in Anbetracht der Omnipräsenz einer SAP wenig ist....

Kränkl: Viele mittelständische und kleinere Unternehmen tun sich immer noch schwer, den Nutzen von SAP S/4HANA für ihr Geschäft zu erkennen. Manche sagen, sie hätten gerne mehr Praxisbeispiele von Unternehmen ihrer Größe. Das kann ich verstehen. Leider liegt genau hier das Problem: Einige Unternehmen haben zwar bereits in großem Maßstab mit der Einführung von SAP S/4HANA begonnen, diese Projekte brauchen jedoch ihre Zeit. Denn die meisten wollen die Einführung nutzen, um parallel ihre kundenspezifischen Erweiterungen auf den Prüfstand zu stellen. Das ist sinnvoll, um künftig die Wartungskosten zu verringern und Geschäftsabläufe zu straffen. Auf der anderen Seite gibt es die Neukunden, die von der Leistungsfähigkeit des Produkts beeindruckt sind und die niedrigeren Betriebskosten attraktiv finden. Allerdings sind genau diese Unternehmen häufig nicht Mitglied einer Anwendergruppe.

Mit Hana geben Sie erstmals Einblicke in ihre Strategie tiefer in die Fertigung vordringen zu wollen. Dort wo Sie hinwollen, tummeln sich ganz andere Unternehmen. Wie stellen Sie sich das vor?

Kränkl: Ja das stimmt. Unsere Heimat ist der Businessbereich. Aber gerade bei Industrie 4.0 sehen wir, dass eine Kopplung aus dem Businessbereich mit der Shopfloorebene immer wichtiger wird. Nur so können durchgängige Geschäftsprozesse funktionieren. HANA koppelt Geschäftsprozesse oben mit den Retailprozessen unten in der Fertigung. Indem wir beides mittlerweile in Echtzeit zur Verfügung stellen, können wir die Fertigung steuern. Das ist die Idee.

Mit dieser Aussage holen Sie sich ganz neue Mitbewerber auf ihre Agenda. Wo werden Sie sich mit einem Unternehmen wie Bernecker&Rainer treffen?

Kränkl: Bernecker & Rainer verfügt über tiefe Kompetenz in der Fertigung, d.h. in der Shopfloor Ebene. Unser Berührungspunkt liegt dort, wo die in SAP abgebildeten Planungsprozesse auf die Fertigungsebene treffen – vermutlich also beim Manufacturing Execution System (MES).

Wäre dann auch Cisco ein klassischer Mitbewerber?

Kränkl: Der Begriff Mitbewerber klingt recht negativ – ich würde Cisco als einen „Frenemy“ (Friend und Enemy) auf dem Markt bezeichnen, denn die gemeinsame Zusammenarbeit steht natürlich im Vordergrund. Zum Beispiel basiert das TIA-Portal von Siemens auf SAP-Technologie. Darauf entwickeln sie die nächste Generation für ihre Steuerungstechnik. Aber gleichzeitig sind wir mit ihnen in vielen Themen durchaus in Wettbewerbssituationen –vor allem im Rahmen der Fertigung. Und genauso verhält es sich mit Cisco beim Thema IoT.

Für 2016 erwartet der Konzern ein deutlich schlechteres Wachstum als 2015. Warum hapert Hasso Plattners Vision einer Cloud Company?

Kränkl: Von hapern kann keine Rede sein. SAP ist dabei sein Geschäftsmodell umzustellen. Statt Softwarelizenzen zu verkaufen, können Kunden die Programme vermehrt mieten. Dadurch wachsen die Einnahmen zwar nicht mehr so stark, gleichzeitig wird man aber unabhängiger von konjunkturellen Entwicklungen. Derzeit können wir das aber sehr gut mit unserem On-Premise-Softwaregeschäft abfedern.

Stichwort Schnittstelle: Mit Hana haben Sie vorher die Schnittstelle zum Shopfloor erwähnt. Wie offen ist SAP gegenüber anderen Softwareherstellern von 1 (gar nicht) bis 10 (total)?

Kränkl: (lacht) Da sage ich 10.

Und jetzt mal ehrlich.

Kränkl: Nun, HANA ist das digitale Herz, das Zentrum woran all unsere Applikationen anknüpfen. HANA zeichnet sich dabei insbesondere durch die Offenheit aus: Ob Materialwirtschaft, Produktion, Beschaffung, Vertrieb oder Planung: Alle Bereiche eines „normalen“ ERP sind neben dem Finanzwesen jetzt im „SAP S/4HANA Enterprise Management“ in einer neuen simplifizierten Version enthalten. Dadurch kann Komplexität an veralteten Schnittstellen im Unternehmen enorm verringert werden. Soll heißen, das Konzept von Hana verkraftet es, dass Daten sowohl in der ERP-Welt als auch in der Datenbank selber verändert werden. Das war früher nicht möglich.

Das heißt, Sie werden Ihre Omnipräsenz bei vielen Unternehmen mit Hana noch einmal steigern. Was sagen Sie den Jammerer, die sagen: ‚Jetzt bin ich schon wieder abhängig von SAP‘?

Kränkl: Aus meiner Erfahrung heraus, ist mir ein solches Unternehmen ehrlich gesagt noch nicht begegnet. Wer die digitale Transformation meistern möchte, darf nicht in Silos denken. Es braucht eine ganzheitliche, moderne Plattform um die digitalen Herausforderungen zu meistern. Im Jahr 2016 sollte sich nicht mehr die Frage stellen wessen Datenbank man verwendet, sondern wie sie sich optimal integrieren lässt.

Ein Rechenbeispiel: Nach der Installation eines neuen E-CAD Programms, wollte ein Maschinenbauer eine SAP-Online-Schnittstelle dazu nutzen. Diese stand aber nicht im Kostenverhältnis. Daraufhin entschied man sich für eine CSV-Datei.

Kränkl: Wovon ich abrate, denn dadurch wird die grundlegende Idee von Real Time zerstört. Und gerade das Arbeiten in Echtzeit wird in Zukunft ein immer bedeutender Kostenfaktor sein.

Aber bei 170.000 Euro für eine SAP-Online-Schnittstelle sprechen wir von keinem kleinen Budget mehr.

Kränkl: Dass bestimmte Lizenzprogramme zu bestimmten Businesscases nicht passen ist richtig - das wissen wir. Deswegen führen wir individuelle Businesscase-Berechnungen durch, um den Wert der Real Time Möglichkeiten darzustellen. Sollte diese Rechnung in einem Projekt kein positives Ergebnis zeigen, wird das betreffende Unternehmen nicht investieren.

Knallharte Kostenkalkulation: Wenn ich Hana installiert habe. Wann hat es sich rentiert?

Kränkl: Im Moment gehen wir von einem Durchrechnungszeitraum von 12 bis 24 Monaten aus.

Die Strategie von SAP ist sehr eindeutig, während einer ihrer größten Mitbewerber im Moment recht fragwürdig vorgeht. Von Brancheninsidern weiß man, dass Siemens Probleme im Maschinenbau hat. Was halten Sie von der Kaeserschen Runderneuerung?

Kränkl: Es heißt ja über Religion, Politik und Mitbewerber spricht man nicht. Die Branche Maschinenbau bewegt sich in einem sehr volatilen Markt. Es dürfte Unternehmen geben, die für das was sie tun, ein sehr gutes Gespür haben. Und es gibt Unternehmen, die in wahnsinnig schwierigen Sektoren sind. Bei internationalen Meetings wird mir oft die Frage gestellt, wie das Geschäft in der österreichischen Industrie laufe. Hierbei darf man jedoch nicht verallgemeinern: Es gibt ganz verschiedene Branchen, ganz verschiedene Firmen. Die einen sind extrem erfolgreich mit 130 Prozent Wachstum und andere haben in Ihrem Segment gerade Probleme.

Aber diese globalen Verschiebungen treffen Sie genauso.

Kränkl: Natürlich treffen diese Verschiebungen jeden – vom globalen Konzern hin bis zum kleinen Einmannbetrieb.

Und Sie glauben mit dem Cloud-Geschäft kann man diese Volatilität abfedern?

Kränkl: Ja. Denn wie bereits gesagt, wollen wir uns durch das Cloud-Geschäft eben genau von konjunkturellen Schwankungen am globalen Markt unabhängiger machen. Und das funktioniert auch.

Sie scheinen mit HANA das geschafft zu haben, was IBM oder Oracle gerade verzweifelt versuchen. Aber was wäre gewesen, wenn Hana gescheitert wäre?

Kränkl: Von Beginn an wurden enorme Ressourcen auf die Entwicklung von Hana verwendet. Die Frage ob Hana nicht die Zukunft sein könnte, hat sich uns dabei nie gestellt. Interesse an einer Mitentwicklung hatten die Unternehmen nicht.

Sie waren ja vorher bei Microsoft. Sagen Sie mir, warum soll ich mich jetzt für eine Hana und nicht für eine Microsoft Azure entscheiden?

Kränkl: Gute Frage. Es sind vergleichbare Produkte. Aber mit einer SAP hat der Kunde die Betriebswirtschaft als Basis und erspart sich somit eine Schnittstelle. Lassen Sie mich das in einem Beispiel erklären: Wenn ich mitbekomme, dass eine Maschine nicht funktioniert, kann ich online direkt nachschauen, ob das Ersatzteil vorrätig ist oder ob ich es nachbestellen muss und welcher Lieferant dafür in Frage kommt. SAP löst also vollautomatisch die Servicetechnikersteuerung aus. Das ist der enorme Vorteil. Ich spreche hierbei über den End-to-End Geschäftsprozess, nicht über die technologischen Möglichkeiten. Sie können mit Azure natürlich auch Daten auffangen. Sie können es auch bunt aufbereiten. Nur was machen Sie dann, wenn sie fertig aufbereitet sind?

Was Business-Analytics betrifft, gibt es aber andere Firmen, die wesentlich weiter sind. Google mag sich noch nicht für die Industrie interessieren. Aber wenn sie es tun, wird sich schnell sehr viel ändern.

Kränkl:. Ich muss Sie hier korrigieren. Google ist omnipräsent. Natürlich erkennen gerade solche Unternehmen die Zeichen der Zeit und wissen, welche Bereiche in Zukunft wichtig sein werden. Es bleibt also spannend. Um die herausragende Stellung von SAP mache ich mir aber keine Sorgen.

Und das ist keine wirkliche Konkurrenz weil?

Kränkl: Das will ich nicht sagen. Aber SAP verfügt über mehr als 40 Jahre Erfahrung im IT-Umfeld und das in 25 Branchen. Dieser wertvolle Erfahrungsschatz schützt uns vor solchen Konzernen.

Noch.

Kränkl: Ja, und auch in Zukunft.

Und eine Kooperation mit Google?

Kränkl: SAP verfügt über eine große Vielzahl an Kooperationen mit namhaften Firmen – daher kommt Google sicherlich auch als potentieller Kooperationspartner in Frage. Im Moment sind sie in manchen Bereichen quasi unser Frenemy. Wir tun ihnen nichts und sie tun uns wenig.

Vielen Dank für das Gespräch! Das Interview führte Elisabeth Biedermann.