Innovation : SAM: Wie ein Lager ohne Regale funktioniert

SAM
© Fraunhofer

Auf der Messe Cemat 2016 wurde die „Stack Access Machine“ (SAM), der Hochstapler zum ersten Mal der breiten Fachöffentlichkeit vorgestellt. Interessiert wurde die SAM, für die bereits in Europa und USA ein Patent angemeldet wurde, von allen Seiten beäugt. Erdacht und entwickelt wird SAM am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund, wo der Diplom-Logistiker und wissenschaftliche Mitarbeiter Jan Behling sitzt und gegenüber Factory die Besonderheiten von SAM erklärt. „Im Gegensatz zum innerbetrieblichen Transport ist uns für die Lagerung keine Lösung bekannt, die – trotz Automatisierung – eine ähnliche Flexibilität bietet wie das Stapelbediengerät SAM, das einzelne Behälter vollautomatisch aus aufgetürmten Stapeln herausnehmen kann“, sagt Behling. SAM kann sich sein eigenes Lager bauen oder lässt sich nachträglich in bestehende Gebäude problemlos integrieren.

Schnelle Inbetriebnahme

Neben dem Verzicht auf Regale sind auch keine Schienen für die fahrzeugbasierte SAM nötig. Behling: „Durch diese sehr infrastrukturarmen Einsatzbedingungen ist die Lagerkapazität und auch der Ort des Lagers sehr leicht veränderbar. Der Durchsatz des Lagers ist durch Anpassung der Fahrzeuganzahl sehr gut skalierbar.“ Gleichzeitig ist eine sehr schnelle Inbetriebnahme möglich.

SAM fährt vor den Behälterstapel, hebt den Zielbehälter und den darüber liegenden gleichzeitig an, entnimmt den Zielbehälter und setzt den oberen Teilstapel auf den verbliebenen Behältern wieder ab, so die Funktionsweise des neuartigen Geräts.

So funktionierts

Regalzeilenlager ermöglichen den Einzelzugriff auf jeden Behälter eines Lagers, erfordern jedoch Investitionen in unflexible Regaltechnik. Blocklager sind dagegen preiswert und flexibel, doch ein Zugriff auf einen Behälter nach Wahl ist nicht möglich. SAM kombiniert die Vorteile beider Lagersysteme. Dafür sorgen zwei vertikal verfahrbare Lastaufnahmemittel (LAM) für Behälter. Um auf einen Zielbehälter zuzugreifen, fährt SAM zunächst vor den entsprechenden Behälterstapel. Während das untere LAM auf Höhe des Zielbehälters ausfährt, fährt zeitgleich das obere LAM auf Höhe des Behälters darüber aus. Anschließend heben die Lastaufnahmemittel beide Behälter zeitgleich an. Der obere Behälter wird dabei höher angehoben – und macht so den Weg frei, um den unteren Behälter zu entnehmen und auf SAM abzusetzen. Schließlich setzt das obere LAM den oberen Teilstapel auf den vor Ort verbleibenden Behältern ab.

Regale für Behälter werden überflüssig

Dieses Prinzip lässt sich auch umkehren und so Behälter an beliebiger Stelle eines Stapels einlagern. Das fahrerlose Transportfahrzeug (FTF) macht somit Regale für Behälter überflüssig. Stattdessen werden die Behälter auf dem Boden des Lagers direkt übereinandergestapelt. Ein weiteres Einsatzfeld ergibt sich bei Behältern mit seitlicher Öffnung. SAM kann dann eigenständig ein aus solchen Behälter gebildetes mobiles Quasi-Regal vor dem Kommissionierer aufbauen bzw. dort bereitstellen. Das neue FTF macht Bereiche wie die Kommissionierung oder die Produktionsversorgung flexibler: Durch den geringen Bedarf an fest installierter Lagerinfrastruktur lassen sich der Ort des Lagers und seine Kapazität jederzeit ändern und auch die Leistung ist variabel. Außerdem kann SAM sich jederzeit auf unterschiedliche Behälterhöhen einstellen. Der Prototyp kann dabei Behälter von bis zu je 30 kg anheben.

Saisonal schwankende Lagerbestände

SAM ist insbesondere für Branchen konzipiert, die hohe Anforderungen an die Flexibilität ihrer Logistik stellen. Dazu zählen beispielsweise Logistikdienstleister. „Diese nutzen automatisierte Lagertechnik bisher vergleichsweise selten, weil sich die dazu nötigen Investitionen in Bezug auf die häufig nur sehr kurzen Projektlaufzeiten meist nicht amortisieren“, weiß Behling. Eine Folgenutzung dieser im Rahmen eines anderen Projektes ist aufgrund der Bindung an den Standort und die vergleichsweise starre Kapazität und Leistung unsicher. Neben Logistikdienstleistern ist der Einsatz von SAM auch denkbar in Bereichen, die saisonal schwankende Bedarfe an Lagerkapazität und/oder Durchsatz aufweisen. Hier seien Leasingmodelle denkbar, wie sie bisher etwa beim Einsatz von Gabelstaplern Verwendung finden.

Nach Cemat kommen erste Pilotkunden

Ebenfalls branchenunabhängig ist die Eignung für eine Automatisierung von Behälterlagern mit vergleichsweise kleinen Durchsätze und Kapazitäten, die bisher rein manuell bedient werden und bei denen eine Automatisierung (z. B. Regale mit mast- und schienengebundenen Regalbediengeräten) bisher aus Kostengründen nicht denkbar war. SAM begnügt sich mit einer freien Fläche, bei der keine besondere Anforderungen an das Seitenverhältnis der Grundfläche bestehen. Auch in relativ flachen Räumen kann ein solches Lager realisiert werden. Eine Bereitstellung zur Kommissionierung sowie auch eine Übergabe an einen weiteren innerbetrieblichen Transport sind machbar.

Serienreife bald in Aussicht

Derzeit befindet sich SAM noch im Prototypenstadium. „Neben dem Austausch mit teilweise bereits sehr konkret interessierten Anwendern sammeln wir aktuell die Interessensbekundungen von Herstellern, mit denen wir auf der Cemat erste Gespräche geführt haben“, so Behling. Nach Auswahl eines Herstellers geht man beim IML üblicherweise zu einer Entwicklungskooperation über, um SAM zur Serienreife weiterzuentwickeln. In einem bis eineinhalb Jahren dürfte der Hochstapler seine Fähigkeiten in einer konkreten Pilotanwendung unter Beweis stellen, ist Behling zuversichtlich.