Anlagenbau : Peter Schobesberger: Die US-Präsidentschaft hat uns gebeutelt

Peter Schobesberger
© Factory/Thomas Topf

Aus einem kleinen schwäbischen Industrieofenbauer wurde eine weltweite Unternehmensgruppe, die viele Höhen, aber auch Tiefen hinter sich hat. Denn als in den 1990er-Jahren der eiserne Vorhang fiel, brach für den Anlagenbauer ein ganzer Markt zusammen. Eine Krise folgte. Die Berndorf AG trat als Kapitalgeber auf, strukturierte um und päppelte den Industrieofenbauer wieder auf. Im Zuge dieser Umstrukturierung wurde nicht nur das Headquarter von Deutschland nach Österreich verlegt, auch neue Manager wurden geholt. Unter ihnen Peter Schobesberger, der heute als Geschäftsführer die Geschicke der Aichelin Holding weltweit lenkt.

FACTORY: Herr Schobesberger, wer als Externer ein kränkelndes Unternehmen wieder aufpäppeln soll, muss unpopuläre Entscheidungen treffen. Wie war das für Sie?

Peter Schobesberger: Am Anfang natürlich schwer. Gerade hier in Mödling mussten wir grundlegende Änderungen an der Wertschöpfungskette vornehmen. Fertigungsschritte wie Schweißen, Biegen und Fräsen wurden mit dem Fall des Eisernen Vorhangs ausgelagert, weil man dies plötzlich zu einem Bruchteil der Kosten bekam. Man muss aber sagen, dass es mehr oder weniger stetig bergauf ging, als ich Aichelin kam. Es war schön, als Manager einen Beitrag dazu zu leisten, der schlussendlich auch Früchte trägt.

Was würden Sie Managern raten, die mit ähnlichen Situationen konfrontiert sind?

Schobesberger: Es braucht ein klares Konzept. Manager müssen der festen Überzeugung sein, dass das, was sie tun, auch richtig ist. Und ganz wichtig: Alleine schafft man so etwas nicht. Scharen Sie eine kleine Gruppe um sich, die ebenso an dieses Konzept glaubt. Diese wirken dann wie ein Multiplikator für das ganze Unternehmen. Es wird aber auch jene geben, die sich nie überzeugen lassen. Das ist normal.

Damals wurden unprofitable Produkte stillgelegt. Ein Beispiel?

Schobesberger: Das waren Produkte, die nur alle zwei bis drei Jahre einmal erzeugt wurden. Aichelin ist zwar kein Serienfertiger, aber eine gewisse Kontinuität im Know-how brauchen auch wir. Wer Öfen für das Härten von Bauteilen für die Ariane-Rakete baut, mag PR-technisch einen Clou gelandet haben, aber wirtschaftlich ist das kein Erfolg. Prestige alleine, macht nicht satt.

Unter Berndorf hat man erkannt, dass das After-Sales-Geschäft ein sehr ertragsreiches ist und ...

Schobesberger: … hat deshalb kräftig investiert. Vor allem in Europa.

Werden heute noch Anlagen ohne Wartungsverträge verkauft?

Schobesberger: Ja, vereinzelt schon. Wartungsverträge sind erst seit gut zehn Jahren zu einem richtigen Geschäftsmodell geworden.

Eine Aichelin-Anlage steht im Schnitt fast 30 Jahre bei einem Kunden. Dieser wird die Anlage und ihre Tücken besser kennen als Ihre Wartungstrupps.

Schobesberger: Das mag sein, aber nur wir sind in der Lage technologische Verbesserungen, quasi ein Upgrade der Maschine, mitzuliefern. Kunden, die selber warten, werden immer auf dem Status quo bleiben.

In Europa ist das Bewusstsein, eine Anlage in Schuss zu halten, tief verankert. Wie stark ist das After-Sales-Potenzial in China?

Schobesberger: Dort ist es noch nicht so ein großes Geschäft. Unsere europäische Denke lässt sich nicht einfach so exportieren. Selbst in Amerika ist das anders. Dort gibt es sehr starke „Unions“, sprich Gewerkschaften. Ersatzteile können vortrefflich verkauft werden, aber als Fremdfirma in die Werkshalle zu kommen wird schwierig.

Und der große Unterschied in China?

Schobesberger: Die Notwendigkeit einer ordentlichen Wartung ist in chinesischen Köpfen nicht drin. Dort gilt: Die Anlage war teuer, damit ist der Lieferant auch für den Zustand der Anlage zuständig. Chinesen sind aber auch viel toleranter, wenn etwas nicht funktioniert.

Sie haben einmal gesagt, dass man die mitteleuropäische Denke nicht einfach drüberstülpen darf. Sind nicht gerade die Chinesen Fans dieser Denke?

Schobesberger: Es kommt drauf an. Chinesen brüsten sich gerne mit europäischen Marken, aber die Art und Weise, wie Probleme gelöst werden, ist sehr verschieden. Dort braucht es drei Mal so viele Leute, um etwas zu erledigen. Ein Vertrag ist nur ein grober Richtwert, der morgen schon wieder anders ist.

Während in Europa sehr konfrontativ diskutiert wird ...

Schobesberger: ... gilt in China: Ja keinen beleidigen.

Also immer „Face keeping“?

Schobesberger: Ja. Das heißt aber nicht, dass man seine Stellung nicht auch einmal hart verteidigen muss. Es braucht zu den handelnden Personen eine gute persönliche Beziehung.

Viele europäische Firmen haben Produktionen in China aufgebaut. Denken Sie nicht, dass es hier zu einem Wandel kommen wird?

Schobesberger: Doch, auf jeden Fall. Schlussendlich sind diese europäischen Firmen unsere Kunden. Ich denke, dass sich das After-Sales-Geschäft in China in zehn bis fünfzehn Jahren nicht mehr so stark von unserem unterscheiden wird. Das gibt uns wiederum eine große Stoßrichtung, das Thema After Sales dort noch mehr zu verankern, deshalb planen wir gerade einen eigenen Service Hub in Südchina.

Wenn Sie Märkte nach Ihrer Wichtigkeit ordnen müssten: Wie würde die Rangfolge lauten?

Schobesberger: Europa und USA sind relativ stabil. Wenn es um Wachstum geht, kommt China und dann lange nichts. Danach kommt Indien. Das Land ist derzeit in einer sehr guten Phase, die Autoindustrie baut auf. Indien verzeichnet aber immer wieder konjunkturelle Schwächen. Ein bisschen krisenhaft ist derzeit Russland.

Also kein Markt, auf den man setzen sollte?

Schobesberger: Würde ich nicht sagen, aber kein wahnsinnig verlässlicher Markt. Sehr volatil.

Gab es einen Markt, der überrascht hat?

Schobesberger: Im Negativen sicher die USA. Unsere Kunden aus der Automobilindustrie hängen sehr stark am weltweiten Wirtschaftsklima. Die neue US-Präsidentschaft hat uns gebeutelt. Nicht nur die Handelssanktionen mit den Nachbarn Kanada und Mexiko sorgten für sehr verhaltene Investitionstätigkeiten, die ganzen Maschinenzulieferketten wurden von den angedrohten Strafzöllen massiv gestört.

Dann dürften Sie mit den neu abgeschlossenen Handelsverträgen wieder gut schlafen.

Schobesberger: Das stimmt mich wieder hoffnungsvoll. Ich rechne damit, dass verschobene Investitionstätigkeiten nun bald nachgeholt werden.

Von wie vielen verschobenen Projekten reden wir hier?

Schobesberger: Drei bis vier Projekte in der Größenordnung von über drei Millionen Euro.

Sie haben 2016 den amerikanischen Marktführer im Ofenbau gekauft. Keine „protektionistischen Steine“ in den Weg gelegt bekommen?

Schobesberger: Damals war noch Wahlkampf. Ich glaube aber, dass das heute auch kein Problem wäre. Das Bild von Trump ist kein durchwegs negatives. Im Gegenteil: Indem er die Unternehmenssteuern gesenkt hat, hat er sogar für uns etwas Gutes getan.

Und trotzdem beeinflusst das politische Gerangel zwischen den USA und China Ihr Geschäft.

Schobesberger: Natürlich, Protektionismus ist ein schlimmes Hemmnis. Vergessen darf man auch nicht den zwischenmenschlichen Aspekt, den dieses politische Gerangel mit sich bringt.

Weil die Chinesen die Amerikaner nicht mögen und umgekehrt?

Schobesberger: Richtig. Es ist sehr interessant zu beobachten, wie sich mittlerweile die Mitarbeiter dieser beiden Nationen begegnen. Da werden auf beiden Seiten mediale Vorurteile geschürt, was den gegenseitigen Respekt sinken lässt. Beide Seiten sind sehr reserviert und nicht immer ganz freundlich miteinander.

Als Europäer haben Sie damit eine super Position.

Schobesberger: Eine schlichtende Position ja.

In den letzten Jahren hat Aichelin alle zwei bis drei Jahre einen Zukauf getätigt. Gibt es Branchen, auf die Sie derzeit spekulieren?

Schobesberger: Wärmebehandlung von Aluminium ist ein Wachstumsfeld. Auch das Thema Komponenten im Ofenbau, sprich Bauteile, die wir selber verbauen, ist ein solides Geschäft, das wir uns ansehen.

Viele sprechen bereits vom Abflachen der Hochkonjunktur, merken Sie davon auch schon etwas?

Schobesberger: In Europa auf jeden Fall.

Sind die Faktoren hausgemacht?

Schobesberger: Zum Teil. Die Dieseldebatte in Deutschland und das Nicht-Vorbereiten auf die neue Zulassungsmethode für Autos. Das ergibt ein unnötiges Stocken, das sich wie eine Kaskade bis zu uns durchzieht. Auch die ewige Lohndebatte rund um den 12-Stunden-Tag ist nicht hilfreich. Eine moderate Lohnerhöhung wäre wünschenswert.

Apropos Dieseldebatte: Auch die Elektromobilität wird Ihr Geschäft treffen, denn E-Autos haben kleinere Getriebe und damit weniger Bauteile zum Härten.

Schobesberger: Aber Hybridantriebe wiederum haben mehr Teile zum Wärmebehandeln. Die seriösesten Prognosen gehen aber nach wie vor von einem normalen Wachstum in der Fahrzeugproduktion aus, auch beim Verbrennungsmotor.

Kurzfristig haben Sie also keine Sorgen, aber mittelfristig ...

Schobesberger: ... wollen wir bei Elektromobilitätsprojekten dabei sein und beobachten diesen Markt sehr genau.

Wo steckt heute noch Innovation im Industrieofenbau?

Schobesberger: Am meisten Innovation steckt sicher im Interface Mensch-Maschine. Also die viel zitierte Industrie 4.0. In unserem Fall vor allem beim Thema Instandhaltung, Hochverfügbarkeit von Anlagen.

Dafür haben Sie sich mit dem IT-Start-up Humai zusammengetan und so erfolgreich die Fehlerquote bei der Nachbestellung von Ersatzteilen reduziert.

Schobesberger: Wir haben eine Lösung entwickelt, wo anhand eines Smartphones oder Tablets Anlagenkomponenten via Augmented Reality erfasst werden. Diese werden dann virtuell mit unserer Teiledatenbank verknüpft. Damit können wir dem Kunden sofort sagen, ob dieses Teil auf Lager ist, wie lange die Lieferung dauert u.v.m.

Klingt fast nach einem digitalen Zwilling im Anfangsstadium ...

Schobesberger: Ist es auch. Wir als Aichelin haben sehr viele Daten über Bauteile, die in solchen Öfen verbaut sind. Wir haben sehr viel Wissen über den Prozess an sich. Dieses Know-how wollen wir mit unseren Kunden teilen.

Abschlussfrage: Die großen Themen der Zukunft – was wird Ihre Branche am meisten treffen?

Schobesberger: Sicher die vorhin erwähnte Digitalisierung. Das wirkt von innen (Organisation, Abläufe) nach außen (neue Geschäftsmodelle). Trotz unserer dezentralen Organisation müssen wir es schaffen, einen zentralen Datenpool zu generieren, sonst können wir den Nutzen nicht heben. Und das zweite große Thema: Es muss uns gelingen, den freien Handel aufrechtzuerhalten. Der Protektionismus darf nicht zuschlagen, er hemmt viel zu viel. Die weltweiten Lieferketten müssen funktionieren.

Vielen Dank für das Gespräch! Das Gespräch führte Elisabeth Biedermann.

Zur Person: Der gebürtige Oberösterreicher Peter Schobesberger (59) ist seit 1999 in der Aichelin-Gruppe tätig. Als Geschäftsführer der Österreich-Tochter und zuvor Prokurist der Aichelin Holding GmbH war er bereits in den letzten Jahren für den Erfolg des weltweit führenden Herstellers von Industrieanlagen für die Wärmebehandlung von Metallteilen mitverantwortlich. Heute leitet er als Geschäftsführer die Geschicke der Aichelin Holding. Davor war Schobesberger in leitenden Funktionen bei der Austrian Energy tätig.