Elisabeth Biedermann : Österreich und sein Problem mit Industrie 4.0

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck mit ihrem Vorgänger Harald Mahrer bei der Amtsübergabe
© BMWFW/Martin Steiger

Ein bisschen schockiert bin ich schon. Wenn das Beratungsunternehmen EY bei einer Umfrage unter 250 mittelständischen österreichischen Industrieunternehmen zu dem Ergebnis kommt, dass "Industrie 4.0" bisher vor allem mit der Automatisierung von Produktionsprozesse in Verbindung gebracht wird, dann haperts aber gewaltig. Das katapultiert uns mit vollem Karacho zurück in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Waren die erste und zweite industriellen Revolution von einer zunehmenden Mechanisierung geprägt, stand bitte schon die dritte industrielle Revolution ganz im Zeichen der Automatisierung. Hier begann der Einsatz von Elektronik sowie von Informations- und Kommunikationstechnologien, die eine variantenreiche Serienproduktion erst ermöglichten. Auch die Geburt einer speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) geht bitte auf das Jahr 1969 zurück.

Neuer Name, alte Floskeln

Jetzt kann man von dem Begriff "Industrie 4.0" halten was man will. Oft genug werde ich mittlerweile von hiesiger Industrie darauf angesprochen, wie verhasst dieses Schlagwort mittlerweile schon sei. Bitte, dann geben wir dem Kind doch einen anderen Namen. Statt Industrie 4.0 heißt das Ding dann halt "Digitale Transformation" oder "Digitalisierung". An dessen inflationärem Gebrauch wird das nichts ändern. Ein Viertel der 250 befragten Unternehmen geht übrigens davon aus, dass Industrie 4.0 weder jetzt noch später eine Rolle spielen wird. (Lach!) Dieses Viertel steckt dann wohl auch seit den 60er Jahren den Kopf in den Sand. Industrie 4.0 spielt nicht irgendeine Rolle, das ist bitte längst Realität.

Künstlicher Tiefschlaf

Noch weniger mag Österreich übrigens das Thema Künstliche Intelligenz (KI). Das hat laut EY fast gar keine Daseinsberechtigung. Dabei würde der Einsatz von KI in der Produktion österreichischen Industrieunternehmen fünf Milliarden Euro an zusätzlicher Wertschöpfung bringen. Das behauptet die Boston Consulting Group, die weltweit Produktions- und Technologiemanager von rund 1.100 Industrieunternehmen zu ihren KI-Einsatzfeldern und ihrer KI-Investitionsbereitschaft befragt hat. Aber was soll man die Industrie alleine in die Mangel nehmen, wenn selbst in höchsten politischen Ebenen Tiefschlaf herrscht. In Österreich und Deutschland diskutieren konservative und rechtsnationale Politiker lieber immer noch die Frage nach der Identität der Nation, während Präsident Emanuel Macron Frankreich zum neuen KI-Hotspot Europas macht. (Ein äußerst interessanter Kommentar meines deutschen Kollegen Robert Weber. )

Politische Farbcodes

Bei Antritt ihres Amtes hat unsere Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck eine Virtual Reality-Brille bekommen. Nettes Antrittsgeschenk, keine Frage. Sie wäre aber mittlerweile gut darin beraten, diese auch mal abzusetzen und ihrem Floskelwahnsinn ein Ende zu setzen. Ist aber nicht leicht, wenn man verzweifelt nach einem Thema sucht mit dem man sich profilieren kann. Es mit KI versucht und dann beim BMVIT abblitzt, weil der politische Farbcode nicht passt. Was man aber so hört, soll sie heuer bei Österreichs größtem Industriemessetrio (Intertool, Smart Automation und C4I) zu Gast sein. Vielleicht findet sie ja dort ihr digitales Steckenpferd. (eb)