Werkzeugmaschinen : Neue Generation der Horizontaltechnik

Heller H-Baureihe H-6000
© Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH

Als Spezialist für vierachsige Bearbeitungszentren ist Heller schon seit den 60er Jahren bekannt und stellte 2007 die H-Baureihe (H für horizontal) vor. Insbesondere Hersteller und Zulieferer des breit angelegten Industrial-Sektors (u. a. Maschinenbauer, Lohnfertiger, Energie- und Fluidtechniker), aber auch Unternehmen aus dem Automotivebereich setzen die horizontalen Vierachsmaschinen für die Produktion mittlerer bis großer Stückzahlen ein.

Im Frühjahr 2020 gingen die ersten Maschinen der bereits vierten Generation bei ausgewählten Kunden in Feldtest-Betrieb. Manuel Gerst, Entwicklungsleiter bei Heller, erklärt: „Unser Ziel war es, die H-Baureihe im realen Einsatz auf Herz und Nieren zu prüfen und dem Markt Anfang 2021 eine ausgereifte Maschine zur Verfügung zu stellen.“

Span-zu-Span-Zeiten um bis zu 15 Prozent reduziert

Geplant, getan. Seit Februar 2021 verkauft Heller die neuen horizontalen Bearbeitungszentren in den Baugrößen H 2000, H 4000, H 5000 und H 6000. Sie decken den Hubbereich von 630 mm bis 1 000 mm ab: Die ersten zwei für Werkzeuge mit HSK-A 63 die größeren mit HSK-A 100. In Modulbauweise mit vielen Standardkomponenten konstruiert, haben Anwender zahlreiche Möglichkeiten, die Maschine an ihre jeweiligen Bedürfnisse anzupassen. Grundsätzlich gibt es hinsichtlich der Antriebstechnik zwei Ausstattungspakete: Power und Speed. Power für mittlere Losgrößen und die Bearbeitung von Stahl und schwer zerspanbaren Werkstoffen. Speed für die Bearbeitung von Gusseisen, Aluminium und anderen Leichtmetallen in hohen Stückzahlen.

Um bestmögliche Produktivität mit der jeweils benötigten Präzision zu erreichen, hatte das Team von Manuel Gerst mehrere Themen im Blick. Als eines der wichtigsten nennt er die Reduzierung der Nebenzeiten. In Zahlen: „Bei der Gen4 ist es uns im Ausstattungspaket Speed gelungen, die Span-zu-Span-Zeiten um durchschnittlich zehn Prozent zu reduzieren“, sagt der Entwicklungsleiter und ergänzt: „Entscheidend sind unter anderem schnelle Positionierzeiten. In Feldtests konnten wir auch Verbesserungen der Zykluszeiten von rund sieben Prozent nachweisen.“

Als hilfreich erweist sich hierbei auch der neue Technologiezyklus AutoSet für eine gewichtsabhängige Dynamikanpassung der Z- und B-Achse, der im Ausstattungspaket Speed enthalten ist. Damit lässt sich in direkter Korrelation zur Zuladung bestmögliche Achsdynamik erreichen. Darüber hinaus optimierten die Entwickler den Werkzeugwechselablauf, um Zeitvorteile auch bei mittleren Werkzeuggewichten zu erreichen und verkürzten zudem die Spindelhochlaufzeiten. Diese liegen jetzt je nach Spindelgröße zwischen rund 1,4 und 2,6 Sekunden.

Heller Inline-Spindel für Gen4 in drei Varianten

Gleichzeitig gelang es dem Nürtinger Maschinenbauer, die Hauptzeiten seiner vierten Generation der Baureihe H zu verbessern. Als entscheidend hierfür nennt Gerst in erster Linie das Herz der Maschine – die Spindel. Diese Eigenentwicklung gibt es bei der Gen4 in drei Varianten: als Power (PC), Speed (SC) und neu als Dynamic Cutting (DC). Alle Spindeln sind mit HSK-A 63 oder HSK-A 100 Schnittstelle verfügbar. Dabei kombinieren insbesondere die DC-Einheiten hohe Drehmomente mit hohen Drehzahlen perfekt – die „DC 63 i“ leistet 16.000 min-1 und 180 Nm, die „DC 100 i“ erreicht 12.000 min-1 und 400 Nm. „Wer noch höhere Drehmomente braucht, kann übrigens nach wie vor für die H 5000 und H 6000 auf unsere klassischen Getriebespindeln zugreifen, die es mit bis zu 2.292 Nm gibt“, ergänzt Gerst.

Allein die hohen Kräfte der Spindel und die extreme Dynamik der Achsen reichen jedoch nicht aus, um die Produktivität der Maschine in der Praxis zu erhöhen. Dazu braucht es auch eine entsprechende Stabilität und das richtige Dämpfungsverhalten. Vor diesem Hintergrund ist die klassische Bauweise mit Doppelantrieb in Z geblieben und wurde in vielen Details weiter optimiert.

High-Accuracy und U-Achse als beliebte Optionen

Durch zahlreicher Neuerungen erreichen die Maschinen der H-Baureihe bereits hohe Grundgenauigkeiten und Oberflächengüten. In Kombination mit dem optionalen High-Accuracy Paket können diese Werte nochmal gesteigert werden. Zudem lassen sich selbst etwaige Temperaturschwankungen einfach und schnell ausgleichen. Ein paar Tastendrücke, und die beiden Software-Features „AutoCal“ und „AutoLin“ passen die Geometrie der Achsen in wenigen Minuten den aktuellen Gegebenheiten an.

Mit der integrierbaren U-Achse des Heller Planzugsystems sind Anwender darüber hinaus in der Lage, Konturdrehaufgaben an ihren Bauteilen mit aussteuerbaren Werkzeugen zu erledigen. Eine Option, die laut Fabian Mattes, Vertriebsleiter beim Unternehmen, häufig gewünscht wird. Er ergänzt: „Damit entfällt in der Serienfertigung mitunter der sonst notwendige Wechsel auf eine Drehmaschine, was enorm viel Zeit und damit Kosten spart.“

Reduzierte Life-cycle Kosten

Bares Geld sparen Anwender zudem durch reduzierte Life-cycle Kosten. Den Entwicklern ist es beispielsweise gelungen, den Energieverbrauch in der neuen H-Baureihe zu senken. Drehzahlgeregelte Pumpen im Hydraulikaggregat und im Hochdruckbereich der Kühlmittelanlage, smarte Abschaltstrategien von Energieverbrauchern sowie die Nutzung der Maschinenabwärme durch optionale Wasser-Wasser Kühlaggregate und vieles mehr sorgen für einen geringen Energiebedarf.

Ebenso wichtig: Wartungs- und Servicearbeiten lassen sich noch schneller erledigen. Hierfür spielt die gute Zugänglichkeit zu allen Aggregaten eine zentrale Rolle. Als Beispiel schildert Fabian Mattes mit dem Nullspindelsystem den einfachen Spindeltausch – ein Service-Highlight, wie er sagt: „Unsere Nullspindeln lassen sich in rund einer Stunde tauschen, da nur der mechanische Teil ersetzt werden muss. Der Motor bleibt. Ergo sparen unsere Kunden im Lebenszyklus einer Spindel etwa 30 Prozent der laufenden Kosten gegenüber klassischen Motorspindeln. Dabei sind die kürzeren Stillstandzeiten noch gar nicht eingerechnet.“

Von den Feldtestkunden gelobt, wird laut Mattes auch das neue, übersichtliche Benutzerkonzept. Das in Pultausführung gestaltete Hauptbediengerät mit Doppelschwenkhalterung ist seitlich neben der Arbeitsraumtür mit großer Sichtscheibe angebracht. So hat der Maschinenbediener gleichzeitig den Bildschirm und den Arbeitsraum im Blick. Beim Einfahren der Prozesse hat sich zudem die Arbeitsraumkamera WorkCam als hilfreich erwiesen. Damit kann der Bediener auf dem 24“ Bildschirm das Geschehen in allen Bereichen des Arbeitsraums verfolgen. Die Multi-Touchtechnologie sowie die zusätzlichen Hardkey-Tasten und drei Potenziometer zur Drehzahl-, Vorschub- und Eilgangregulierung erhöhen das Bedienkomfort weiter und erleichtern das Einrichten und den Betrieb der Maschine.

Verbesserte Ergonomie

Fokussiert auf die Ergonomie entwickelte HELLER neben dem Hauptbediengerät auch andere Arbeitsbereiche des Bedieners weiter und wertet diese auf – optisch und praktisch. Ein kompaktes, berührungssensibles Bedienfeld mit den wichtigsten Funktionen, die niedrige Ladekante, kurzen Überhänge und die Belademöglichkeit von Oben erleichtern die Arbeit am Werkstückrüstplatz. Eine integrierte LED-Beleuchtung der Rüstplätze und im Arbeitsraum sind Standard.

Nicht neu aber deutlich ergänzt und von mehr als 80 Prozent der H-Baureihen-Kunden als Option genutzt, sind vielfältige Industrie-4.0 Features, die Heller unter dem Produktnamen Heller4Industry anbietet. All diese Heller4Industry Features können direkt an der Maschine, im Firmen-Netzwerk oder über das Internet angezeigt werden. Die Konnektivität zu MES- und ERP-Systemen wurde mit „umati“ über eine OPC-UA-basierte Kommunikation erweitert, was die Integration ins Firmennetzwerk vereinfacht. Anwender, die zusätzlich die Option Heller Services Interface (HSI) nutzen, erhalten als Web-Browser-Lösung einen sicheren und an jedem Ort verfügbaren Zugang zu ihren Produktions- und Instandhaltungsdaten.

Mit „Heller4Industry“ in Verbindung bleiben

Anwendern der neuen H-Baureihe Gen4 von Heller stehen vielfältige Industrie-4.0-Features zu Verfügung. Dazu zählen unter anderem:

„Remote Diagnostic“ unterstützt den Service, indem alle relevanten Aggregate überwacht werden – Motor, Spindel, Achsen, etc..

„Axes Condition“ und „Spindle Condition“ bilden die Grundbausteine für eine zustandsorientierte Instandhaltung. Basierend auf diesen Daten lässt sich einfach vorbeugende Instandhaltung organisieren.

„Tool Optimisation“ ergänzt die Werkzeugüberwachung IPM durch erweiterte Datenerfassung und zusätzliche Informationen für die einfache Einstellung und Beurteilung der Standzeit. Damit ist ein noch sicherer und effizienterer Umgang mit Werkzeugen möglich.

„Energie Monitoring“ hilft den Energiebedarf für Strom und Luft im Blick zu haben und dadurch den Energieverbrauch zu optimieren.

„Damage Reduction“ visualisiert auch kleine, bisher nicht erkannte Kollisionen bei der Bearbeitung, die sich dadurch optimieren lassen.