Ansichtssache : Machine Learning: Wie sich die Fertigung bei Schunk wandelt

Schunk
© EPA/Schunk

Jedes Jahr erstellt der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) zusammen mit Fraunhofer einen Trendradar für den Maschinenbau der Zukunft. Von autarken, mobilen Maschinen, über kognitive, kollaborative Systeme bis hin zu Blockchain und 5G wird jeder Trend genau unter die Lupe genommen und auf seine Wichtigkeit überprüft. Im Forum „Zukunftsbilder für den Maschinen- und Anlagenbau“ auf der SPS IPC Drives nahm dazu Michael Bartl, Geschäftsführer bei Schunk Consulting, Stellung. Dabei wurde klar, dass so mancher Trend schnell an Substanz verliert, trifft er auf einen hartgesottenen Fertigungsbetrieb, wie den von Schunk.

Das Big Data Problem

Schunk hat sich auf Greifsysteme und Spanntechnik spezialisiert und gilt in seiner Branche als Vorzeigebetrieb für eine moderne, vernetzte Produktion. Gerade beim Thema Machine Learning stoßen aber auch die Besten an ihre Grenzen. Mehr Transparenz konnten die Maschinenbauer zwar bereits in ihre Prozesse bringen „aber hübsche Bildchen“, wie sie Bartl nennt, „die dann doch sehr statisch sind, bringen wenig.“ Mit Sensorik und Messtechnik versuchte Schunk diese Datenlücken zu füllen und sah sich gleich mit der nächsten Herausforderung konfrontiert: Big Data ist nicht Smart Data. Eine Masse an Daten bringt nichts, wenn man damit kein vernüftiges Ergebnis bekommt. Also begann man bei Schunk eine Art Wissenskollektiv aufzubauen. Dafür mussten die Greifarmspezialisten zuerst ihre Prozesse so definieren, damit ein ständiger Soll/Ist-Vergleich möglich war. Das waren völlig neue Blicke auf die eigene Prozesslandschaft. „Dass ein Mechanikladen plötzlich mit so viel Software arbeiten muss, war am Anfang sehr schwierig“, resümiert Bartl heute. Und am Ende seien die Deutschen damit noch lange nicht.

Mensch vs Maschine

Fakt ist, dass die Vielfalt der Prozesse durch Maschinen gestützt werden müssen. „Menschen können das nicht mehr schaffen“, so Bartl und verrät damit wohin die Vision bei Schunk geht. Künstliche Intelligenz mag noch in den Kinderschuhen stecken, macht aber auch vor einem bodenständigen Fertigungsbetrieb nicht Halt. Bartl geht es dabei vor allem um Szenarien wie: „Was ist wenn ein Produktionsfachmann geht und mit ihm sein Wissen?“ Deshalb versuche man derzeit bei Schunk eine Art Wissensbasis für Mensch und Maschinen zu schaffen.

Auf den Produktionsfachmann komplett zu verzichten, kommt für Bartl aber nicht in Frage. „Den Menschen werden wir als Programmierer des Systems immer brauchen“, so der Geschäftsführer. Die Maschinen entwickeln sich immer nach vorgegebenen Rahmen des Menschen. Und es sei nun mal Letzterer, der kreativ und innovativ handeln kann. Bartl gibt aber zu, dass die Nachvollziehbarkeit über die aktuellen IST-Daten ein Credo der Maschinen ist. „Das können sie einfach besser als der Mensch.“ Die Frage die bei Schunk bleibt: Wie können die Mitarbeiter für diesen Werdegang motiviert werden? Laufen manche doch Gefahr, ihren Arbeitsplatz an einen Roboter zu verlieren. Für Bartl keine neue Thematik. „dieselbe Fragestellung hatten wir vor 15 Jahren beim Thema Automatisierung.“ Geht es nach Schunk, werden Arbeitsplätze nicht wegfallen, sondern einfach andere Arbeitsprofile entstehen.

Die Maschine, die ihre Standards selbst bestimmt

Spielerische Elemente in der Produktionstechnik? Ist das möglich oder abgedreht? Explizit geplant habe man bei Schunk dazu nichts. Bartl vermutet aber, dass dies Teil von zukünftigen Entwicklungen sein wird. Vielmehr beschäftigt den Geschäftsführer das Fehlen von richtigen Standards. „Jeder bastelt derzeit an seiner eigenen Lösung“, so Bartl. „Das widerspricht völlig dem Gedanken der Kollaboration.“ Sichtlich genervt sei man bei Schunk von ständig neuen Cloud-Lösungen. Bartl freundet sich derweil mit einer völlig neuen Vision an: „Die Maschine, die ihre Standards selbst setzt.“ Mit künstlicher Intelligenz eigentlich möglich. Die Maschine handelt sich also selber ihre Standards aus. Ein Esperanto für Maschinen quasi. Und ausgerechnet der Datenprotektionismus soll hier den nötigen Anstoß geben. „Denn irgendwann werden die ganzen Clouds untereinander kommunizieren müssen“, ist Bartl überzeugt. Für ihn wird das keine 20 Jahre mehr dauern. „Künstliche Intelligenz braucht offene Systeme und keinen Protektionismus.“

Deutschland fehlen IT-Ressourcen

Schon immer war Deutschland stolzer Platzhirsch beim Thema Mechanik. Irgendwann in den 80er kamen dann die Japaner und packten Elektronik in die Maschinen der Deutschen. Jetzt sei man an der gleichen Schwelle nur mit Software. Datenanalysekompetenz will heute jeder Maschinenbauer in seine Maschine bringen. Dass Deutschland dafür gut gerüstet ist, glaubt Bartl nicht. „Es fehlt an Ressourcen.“ Viele Industrieunternehmen, die versuchen Digitalisierung im eigenen Betrieb umzusetzen, gehe es dabei ähnlich wie Schunk. (eb)