Robotik : Komfortabler Ritt

© niedersuess

Im Mühlviertel unterstützt ein Roboter einen wesentlichen Arbeitsschritt bei der Produktion der Sattelbäume. Als stabilisierende Innenkonstruktion des Sattels sind diese für den Komfort von Pferd und Reiter verantwortlich, weil sie das Gewicht des Reiters gleichmäßig auf den Pferderücken verteilen.

„Auch an die Spanische Hofreitschule liefern wir jährlich mehrere Sättel“, sagt Markus Niedersüß, der technische Leiter der Karl Niedersüß GmbH und Sohn des namensgebenden Firmeneigentümers. Rund 24 Stunden Arbeitszeit stecken in einem Sattel. Etwa 800 fertigen die 20 Mitarbeiter pro Jahr. Verkauft werden diese weltweit – von den USA über Australien bis Japan. Im Schnitt geben Reitsportbegeisterte 2.000 Euro für einen Niedersüß-Sattel aus. Während sich das äußere Erscheinungsbild der Sättel seit der Unternehmensgründung kaum veränderte, hält im Inneren jetzt Hightech Einzug. Noch vor zwei Generationen wurden die Sattelbäume aus Holz gefertigt und mit Eisen beschlagen. „Jetzt produzieren wir diese mithilfe eines Industrieroboters aus Kunststoff. Das ist schneller und präziser als in Handarbeit“, erklärt Markus Niedersüß. Ein wichtiger Wegbegleiter bei diesem Modernisierungsschritt war das von Land OÖ und WKOÖ finanzierte Technologie und Innovations-Management (TIM).

Inspiration durch ein Kunstprojekt

Schon während seiner Zeit als HTL-Schüler konnte Markus Niedersüß seinen Vater Karl überzeugen, den Sattelbaum als 3D-Modell zu digitalisieren. Weil keine passende und für einen kleinen Betrieb finanzierbare CAD-Software am Markt verfügbar war, haben die Sattler einen Scan hergestellt. „Dieser Scan hat das geschnitzte Modell präzise abgebildet und war auf einen hundertstel Millimeter genau“, erinnert sich Niedersüß an die Anfänge. Nach mehrjähriger Entwicklungszeit ist es mittlerweile gelungen, mithilfe des Roboters aus einem Polyurethan-Blockschaum den Unterbau für eine hochpräzise Form für den Sattelbaum zu produzieren. Die Inspiration dafür hat sich Niedersüß ganz zufällig auf einer Handwerkermesse geholt. Dort stellte die Kunstuniversität Linz ein Relief aus, welches mit einem kleinen Roboter gefräst wurde. „Da ist mir die Idee gekommen, dass es möglich sein muss, auch Sattelbäume mit einem Roboter zu fräsen.“ Mit den Kontakten zu zwei Experten hat Niedersüß schließlich die entscheidende Weichenstellung für den Erfolg seines Forschungsprojektes vorgenommen: Zu Prof. Johannes Braumann am Labor für Kreative Robotik an der Kunstuniversität Linz. Und zu TIM-Berater Alois Keplinger, der unter anderem den Antrag auf Förderung durch den Innovationsscheck der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) anregte und unterstützte.

Fräsen, abgießen, stampfen, schäumen

So war es möglich, die technische Machbarkeit der Produktion von Sattelbäumen mit einer CNC-Maschine oder einem Roboter abzusichern. Aus Kosten- und Platzgründen hat sich die Sattlerei Niedersüß schließlich gegen eine 5-achsige CNC-Fräse und für einen – gebrauchten – Roboter mit Frässpindel entschieden. Jetzt fräst der Roboter aus einem 600 mm x 500 mm x 400 mm großen Polyurethan-Block die hochpräzise, zweiteilige Form für den Sattelbaum. Die gefrästen Flächen beider Teile – also jene der Ober- und der Unterform – werden zuerst mit einem Trennmittel eingestrichen und danach mit einer Oberflächenpaste abgegossen. Anschließend wird darauf eine Masse aus Epoxidharz und Aluminiumgrieß aufgestampft. „Zwischen diese abgegossenen Formen wird dann ein handgeschmiedeter Stahlkern oder ein Carbonkern eingelegt und mit unsere PU-Hochdruckanlage ausgeschäumt“, erklärt Markus Niedersüß.

TIM-Unterstützung sichert Entwicklung

Diesen Schaum, der ganz spezifischen Anforderungen entsprechen muss, um zu einem Sattel weiterverarbeitet werden zu können, hat die Sattlerei Niedersüß gemeinsam mit einem deutschen Spezialunternehmen entwickelt. Nach dem Aushärten des Schaums wird die Form geöffnet und der fertige Sattelbaumrohling kann entnommen werden. Um die Geometrie überprüfen und weiter verbessern zu können, fräst der Roboter mittlerweile aus dem Polyurethan-Block ganze Sattelbäume – allerdings ohne Stahl- und Carbonkern. Da die Anschaffungskosten für die Maschinen und die Entwicklungsarbeit die finanziellen Möglichkeiten der Sattlerei Niedersüß überstiegen hätten, ebnete TIM-Berater Alois Keplinger den Weg zu Förderungen. „Exakt dafür wurden TIM und viele Förderinstrumente des Bundes und der Länder geschaffen. Um Betriebe zu Innovationsprojekten zu motivieren, die sie ohne finanzielle Unterstützung und dem Know-how von Forschern nicht gewagt hätten“, erklärt Keplinger.

15 Modelle, je eine Kuhhaut

Eine ganze Kuhhaut wird für einen einzigen Sattel benötigt. Die Sattlerei Karl Niedersüß bietet 15 verschiedene Sattelmodelle – vom Dressursattel A Capella bis zum Vielseitigkeitssattel Trio – an. Diese gibt es abhängig von der Kammerweite und Sitzlänge in jeweils neun unterschiedlichen Größen. „Deshalb brauchten wir bisher auch neun verschiedene Formen für jedes Modell“, präzisiert Technikleiter Markus Niedersüß. Die neuen vom Roboter gefertigten Formen mit Kohlefaserkern sind jetzt in der Breite verstellbar. „Damit sind jetzt nur noch drei statt bisher neun Formen pro Modell nötig“, betont Niedersüß.

Wachstum dank Unterstützung

Das hat der Sattlerei Niedersüß einen durchaus unerwarteten Effizienzgewinn eröffnet. Weil man sowohl an Präzision als auch an Tempo zugelegt hat, eröffnen sich Wachstumsperspektiven. „Wir haben den nötigen Spielraum gewonnen, um den Ausstoß zu erhöhen und neue Märkte zu erobern“, verrät Niedersüß. Zu dieser Entwicklung hat TIM einen gewichtigen Anteil beigesteuert.