Kollaborative Roboter : Fujitsu setzt auf Cobots bei der Produktion von Mainboards

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Eine pompöse Geschichte steckt dahinter nicht, denn der Einsatz für kollaborierende Anwendungen in der Produktion ist bei Fujitsu aus einer typischen Kooperation zwischen einem Roboterhersteller und einem Technologieunternehmen entstanden. Während Kuka langjährige Erfahrungen im Bereich Robotik beisteuerte, brachte Fujitsu viel Industrie 4.0- und Prozess-Know-how in der Elektronikfertigung mit ein. Das Ergebnis kann sich aber dennoch sehen lassen: Mensch und Maschine arbeiten in Augsburg Hand in Hand. Es wird fast nicht mehr zwischen manuellen und automatisierten Arbeitsplatz unterschieden. Wichtig: Hier wird der Mensch nicht substituiert, also wegrationalisiert. Ganz im Gegenteil, er überwacht und führt die Produktion, während der Roboter zuverlässig die körperlich anstrengenden oder monotonen Arbeiten übernimmt. Neu an diesem Projekt war, dass ausgewählte Entwickler beider Unternehmen ihre gewohnten Räume verließen und für das Projekt ihr Wissen mit dem Kollegen aus dem jeweiligen anderen Unternehmen im ortsansässigen Technologiezentrum Augsburg (TZA) teilten. Das Ziel war klar: Die Entwicklung einer für Fujitsu individuellen Lösung für das „kollaborative“ Arbeiten mit Robotern. Und der Standortvorteil war gewaltig: Zwischen dem TZA und dem Firmensitz von Kuka sind es nur wenige Kilometer und der Weg zur Fujitsu-Smart-Factory kann in wenigen Metern zu Fuß zurückgelegt werden. „Neben den kurzen Wegen spielte auch die fortgeschrittene Entwicklung beider Unternehmen hinsichtlich Industrie 4.0 eine große Rolle“, betont Frank Blaimberger, Head of Smart Factory Services and Tools von Fujitsu. „Wir trafen uns hier auf Augenhöhe.“

Nicht jede Anwendung ist MRK-geeignet

Als Ergebnis wurde ein Kuka-Leichtbau-Roboter an einem Testplatz in die Produktionslinie des Fujitsu-Werks integriert. Dabei handelt es sich um ein Roboter-basiertes System als Automatisierungslösung zur Optimierung der Arbeitsprozesse beim Handling und Testen von Mainboards. Dafür richtet der Kuka-Roboter ein bei Fujitsu gefertigtes Mainboard auf einer Arbeitsplatte exakt aus, um es auf Herz und Nieren zu prüfen, damit es im Anschluss konfiguriert werden kann. Ein speziell für Fujitsu entwickelter Roboter-Winkelarm soll die mechanischen Greifbewegungen des Menschen nachbilden. Auf diese Weise profitiert der Mensch von der präzisen Technik des Roboters, indem er ihm assistiert.

Deshalb soll die Maschine nicht den Menschen substituieren, sondern seine Fähigkeiten sinnvoll ergänzen und belastende Arbeiten abnehmen. Das können zum Beispiel sehr gefährliche oder monotone Arbeiten, das Heben schwerer Lasten oder Über-Kopf-Arbeiten sein. Kollaborierende Anwendungen kommen häufig auch für Tätigkeiten zum Einsatz, die dem Menschen über lange Zeit eine hohe Geschwindigkeit und Präzision abverlangt. Wobei nicht jede Tätigkeit mit einer Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) dargestellt werden kann. Beispiele dafür sind Arbeiten mit spitzen und scharfkantigen Bauteilen oder auch zu kurze Taktzeiten, zu hohes Bauteilgewicht, zu lange Bauteilgeometrie, zu kleine Arbeits- und Achsbereichen sowie zu hohe Temperaturen.

Selbstlernende Systeme

Die implementierte MRK-Lösung lässt sich sehr leicht neu programmieren. Anders als herkömmliche Industrieroboter, kann der Kuka-Roboter unter Anleitung neue Fähigkeiten erwerben: „Beim Teaching wird der Leichtbauroboter für ein bestimmtes Arbeitsablaufprogramm oder eine spezielle Konfiguration eingerichtet“, so Blaimberger. „Werden dann im Produktionsprozess verschiedene Varianten gefordert, so leitet ein Mitarbeiter den Roboter an, damit er diese Abweichungen eigenständig erlernen kann.“ In der Vergangenheit musste jedes neue Setup für veränderte Prozesse neu zertifiziert werden. Kollaborierende Anwendungen lassen sich nicht nur einfacher neu programmieren, sondern auch vergleichsweise leichter bewegen und an anderen Stellen der Produktion bei Fujitsu einsetzen. Und das unabhängig vom Ort: horizontal, senkrecht und sogar an der Decke. Die Aspekte der Sicherheit müssen dann natürlich wieder neu überprüft werden.

Pay-Per-Use-Modelle in Planung

Die Mainboard-Testläufe haben sich mit dem neuen Kuka-Roboter bereits deutlich verändert. „Das lässt sich darauf zurückführen, dass der Roboter die teilweise recht unhandlichen Boards passgenauer auf die Arbeitsfläche auflegen kann und das Risiko mechanischer Beschädigungen quasi wegfällt“, so Blaimberger. Gleichzeitig wird der Mitarbeiter neben der kollaborierenden Anwendung dadurch entlastet, indem er ergonomisch sinnvollere beziehungsweise abwechslungsreichere Tätigkeiten übernimmt. Wobei der Roboter in dieser Anwendung nicht schneller, sondern vor allem länger und präziser arbeiten kann. Das Projektteam plant für die nächsten Projektstufen, weitere Funktionalitäten zu integrieren. Im Zuge dessen sollen Produktionskonzepte im Hinblick auf eine vorbeugende Instandhaltung, optimierte Wartung, verbesserte Qualitätskontrolle sowie potenzielle neue Abrechnungsmodelle für Robotereinsätze entstehen. Denn vor allem diese Leichtbau-Roboter, die je nach Anwendung einsetzbar sind, eignen sich ideal für das Abrechnungssystem „Pay-Per-Use" bzw. Cloud-Dienste und eine Einbindung von IoT-Konzepten. In einem weiteren Schritt sind Datenanalysen durch Industrial Analytics und Machine Learning geplant. Dafür müssen aber erst die Infrastrukturen von KUKA und Fujitsu auf gemeinsame Standards und den bestehenden Regeln des Datenschutzes angepasst werden.