Smart Factory : Fujitsu: Europas letzte Bastion der Computerfertigung

Fujitsu ist aktuell nicht nur das modernste Computerwerk Europas, sondern es ist auch das einzige, das in ganz Europa überhaupt noch produziert. Der Informations- und Telekommunikations-Komplettanbieter setzt mit einer vorbildlichen „Smart Factory“ konsequent auf die digitale Transformation. Doch der Umbau kam nicht von heute auf morgen: Schon vor etwa zehn Jahren begann das Unternehmen mit einer Millioneninvestition nach den Grundsätzen der Lean-Production mit Elementen des Toyota Production Systems (TPS) das Werk auf die anstehenden Aufgaben vorzubereiten. „Wir entwickelten auf Basis des TPS unser eigenes Produktionssystem, das nicht nur Lösungen der Industrie-4.0 beinhaltet, sondern uns auch ein Maximum an Flexibilität gestattet“, erklärt Raimund Landsbeck, Head of Factory Operations und Standortleitung. Wobei das TPS auf eine möglichst hohe Produktivität bei einer höchsten Produktqualität sowie absoluten Liefertreue abzielt. Zudem soll jede Art der Verschwendung von Ressourcen vermieden werden.

Für die Einführung einer Smart Factory stellte Fujitsu die Produktion auf die aktuelle Inselproduktion um. Des Weiteren wurden moderne Prüf- und Materialbereitstellungskonzepte eingeführt, die auf 35.000 Quadratmetern Produktions- und Logistikfläche für ein Optimum an kundenorientierter Herstellung sorgen. „Wir handeln rund 2.500 aktive Varianten und können problemlos die ‚magische Losgröße 1‘ in der Fertigung einsteuern“, so Landsbeck. Das ermöglicht Fujitsu seinen Kunden gleich drei unterschiedliche Auftragsvarianten zu offerieren. Am häufigsten entscheiden sich die Kunden für die Variante „Build-to-Order“. Das bedeutet, dass der Kunde Fujitsu beauftragt, ein System ganz genau nach seinen Spezifika zu fertigen. „Wir unterscheiden uns hauptsächlich dadurch vom Wettbewerb, indem wir per ‚Build-to-Order‘ speziell auf den Kunden fokussiert komplett am Standort herstellen“, betont Landsbeck. „Die Konkurrenz setzt hingegen meist auf ‚Build-to-stock‘.“ Bei dieser Variante wird buchstäblich auf Halde produziert. Wogegen bei „Konfigured-to-Order“ der Kunde nur ein System mit ein paar weiteren Komponenten beauftragt, die dann zusätzlich in den Produktionsprozess eingesteuert werden.

Das Augsburger Werk erarbeitete sich über die Jahre ein ganz besonderes Alleinstellungsmerkmal: „Wir decken die komplette Supply-Chain ab“, sagt Frank Blaimberger, Head of Smart Factory Services and Tools. „Deswegen sind wir befähigt, auch Lösungen wertschöpfend einzusetzen, die andere womöglich nicht anwenden können.“ Diese Vorteile machen sich bereits bei der Produktentwicklung bemerkbar. Denn die Erfahrung hat gezeigt, wenn in der frühen konzeptionellen Phase schon Fertigungsprozesse berücksichtigt werden, kann später viel qualitätsorientierter und vor allem kostengünstiger produziert werden. „Aus diesem Grunde sind von uns kundenspezifische Produkte mit unterschiedlichsten Volumenanforderungen auch kurzfristig zu realisieren“, sagt Blaimberger. „Zudem verfügen wir über Forschungs- und Entwicklungsabteilungen sowie Labore, in denen IT-Systeme und einzelne Bauteile von rund 300 Mitarbeitern entwickelt, getestet und zertifiziert werden“, so Blaimberger. „Damit bilden wir direkt am Standort die komplette Wertschöpfungskette ab, ‚Made in Germany‘.“ Das bedeutet, vor Ort erfolgt nicht nur die Produktzulassung und Zertifizierung der hauseigenen Erzeugnisse, sondern auch jene, die der Hersteller als Dienstleistung für den Markt anbietet. So wird in Augsburg die Produktlinie der Primergy-Server hergestellt, die auf x86-Prozessoren basiert und weltweit den größten Marktanteil aufweist.

Möchte ein produzierendes Unternehmen seine Fertigung hinsichtlich einer „Intelligenten Fabrik“ umbauen, so braucht es dafür nach Ansicht von Fujitsu viele einzelne kleine Schritte. Einer dieser Schritte ist zum Beispiel der Umstieg von einer Papier- zu einer RFID-basierten Logistik- und Produktionssteuerung. „Es begann mit dem Entschluss im Jahr 2012, sämtliche bislang Papier-basierten Montageanweisungen und Anleitungen für die optische Prüfung sukzessive zu verbannen und durch RFID-basierte sowie andere Steuer-, Kontroll- und Anzeigesysteme zu ersetzen“, erinnert sich Blaimberger. Ein Display am Arbeitsplatz zeigt für den aktuellen Arbeitsschritt alle jeweils erforderlichen Anweisungen in Echtzeit an. Die Informationen dazu werden unter anderem per RFID im Objektträger gesteuert. So sieht jeder Mitarbeiter, der nach dem Inselprinzip arbeitet, immer genau den Ausschnitt der Informationen, den er für seine Tätigkeit bei wechselnden Varianten auch tatsächlich benötigt. „Das ist für uns von großer Bedeutung, da wir bis zu 21.000 Einheiten produzieren und auf kundenindividuelle Konfigurationen und Anforderungen ohne Unterbrechung reagieren können“, so Blaimberger. Auf diese Weise lassen sich Sonderprojekte im Fertigungsverlauf viel leichter managen. Des Weiteren verkürzt ein solches Informationssystem die Einarbeitungszeit neuer Mitarbeiter, indem es zu den Abläufen zusätzliche Ratschläge und Bilder vermittelt. Da die Mitarbeiter die Vereinfachung bei ihrer Arbeit deutlich spüren, ist die Akzeptanz unter ihnen sehr hoch.

In der Fujitsu-Smart-Factory umfasst die Dauer zwischen Bestellung und Lieferung eines kompletten Computersystems nur noch ein paar Tage. Assistenzsysteme sorgen für eine deutliche Reduzierung der Wartezeiten und Unterbrechungen der Prozesse. Eine durchgängige Wertschöpfungskette, digitale Applikationen und Cloud Services erlauben es Fujitsu, sich auf fast jede Auftragssituation einzustellen. Zu den Ergebnissen der digitalen Transformation gehören aber auch eine Optimierung der Datenaktualität, eine Minimierung der Handlingzeiten sowie eine signifikante Kostenreduzierung. Das hauseigene Rechenzentrum bietet den Kunden die Möglichkeit, gleich ihre Integrationstests vor Ort durchzuführen: „Bei komplexen Kundenanwendungen können die Kunden die Einbindung ihrer Systeme in Ihre System-Umgebung noch bei uns am Standort „remote“ nachvollziehen und so jede Funktion für den Live-Betrieb absichern“, sagt Landsbeck.