Ersatzteillogistik : Ersatzteile: Teile und herrsche

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Buchhalterisch tot, aber original verpackt. Betritt Thomas Heller das Lager eines neuen Kunden, stechen sie ihm sofort ins Auge – die original verpackten Ersatzteile überzogen mit einer dicken Staubschicht. Lagerleichen säumen den Weg des Leiters Anlagen- und Servicemanagement am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik. Heller hat es sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen zu einem World-Class-Ersatzteilmanagement zu führen. Für ihn ist klar: „Hohe Ersatzteilbestände sind pure Kapitalvernichtung.“

Engere Vernetzung von Herstellern und Betreibern.

Seit Jahren kämpft der Fraunhofer-Mann unter den Maschinen und Anlagenbauern um Gehör. Sein Apell: „Es braucht eine viel engere Vernetzung von Herstellern und Betreibern.“ Erste Ansätze dafür gibt es in sogenannten Betreibermodellen. „Der Betreiber definiert gegenüber dem Hersteller genau, welche Verfügbarkeit er benötigt“, erklärt Heller. Beide sind dabei im permanenten Informationsaustausch. Der Hersteller bekommt Einblick in den Betrieb der Anlage und kann so sofort und zum richtigen Zeitpunkt reagieren.

Doch so plausibel und sinnvoll das Teilen von Informationen erscheint, umso mehr kommt massiver Widerstand von Seiten der hauseigenen Datenschützer. „Diese stemmen sich vehement dagegen, dass Daten getauscht werden“, so Heller. „Vielen Unternehmen fehlt damit heute noch an einer klaren Strategie, wie sie das Ersatzteilmanagement wirklich steuern wollen“, bedauert der Fraunhofer-Mann. Mittlerweile einzigen Lichtblick sieht Heller in der nachkommenden Generation. Denn gerade den Jüngeren ist mit einer erfrischenden Selbstverständlichkeit klar, dass in einer jederzeitigen Vernetzung der viel größere Nutzen liegt als im Risiko des möglichen Datenmissbrauchs. Für Heller gehört der österreichische Fraunhofer-Kollege Martin Riester wohl zu jener Hoffnungsgeneration, die endlich dafür sorgen könnte, dass das die Ersatzteillogistik jene Aufmerksamkeit zuteil wird, die sie verdient.

Hersteller wird zum Betreiber.

Obwohl Riester die hiesige Angst vor dem Datentausch nicht nachvollziehen kann, sieht auch er sich mit den gleichen Vorbehalten konfrontiert. Der Gruppenleiter Logistikmanagement bei Fraunhofer Austria, weiß das Betreiber von Maschinen und Anlagen ihr Lager lieber selber verwalten, bevor sie von der Lieferung eines Herstellers abhängig sind. „Dabei liegt gerade hier enormes Potential zur Differenzierung vom Wettbewerb“, ist Riester überzeugt. Skeptikern, die behaupten, der Anteil von Ersatzteilen würde geldtechnisch nicht ins Gewicht fallen, konnte der junge Fraunhofer-Mann relativieren. „Unsere Industrieprojekte zeigen deutlich, dass die Kombination von Ersatzteilen und Servicegeschäft bis zu 50 Prozent am Gesamtumsatz des Unternehmens ausmacht“, so Riester. Ein klares Signal, dass der Ausbau des Ersatzteil- und Servicegeschäfts ideal wäre, um schwankende Auftragslagen bei den Primärprodukten abzufedern.

Ein künftiges Erfolgsmodell für eine funktionierende Ersatzteillogistik zieht Riester aus dem sogenannten Business-for-Business (B4B) Bereich. Dort zählt der Outcome mittlerweile mehr als das Produkt selbst. „Die Bezahlung erfolgt nach erbrachter Maschinenleistung, statt nach Kauf einer Maschine oder Anlage“, erklärt Riester. Indem der Hersteller zum Betreiber wird, fallen nicht rechtzeitig gelieferte Ersatzteile bzw. eine geringere Anlagenverfügbarkeit hundertprozentig zu Lasten des Herstellers. „Damit das aber funktioniert, spielen Datenverfügbarkeit und vor allem Datenqualität eine entscheidende Rolle“, so der Fraunhofer-Mann.

3D-Druck statt Lagerwahn.

Beide Ersatzteilexperten wollen den Lagerwahn ihrer Projektpartner abbauen. Ein weiterer Hebel dafür wäre klar der vieldiskutierte 3-D-Druck. So hat Airbus erst kürzlich öffentlich bestätigt, seine Flugzeugproduktion komplett gekippt zu haben. Künftig will der Flugzeugriese zehn Prozent seiner Ersatzteile selbst herstellen. Schon Anfang nächsten Jahres beginne man mit der Serienproduktion von Titanbauteilen. Mitte 2016 folgt dann 3D-Edelstahl und ab 2017 Aluminium. Airbus arbeitet beim 3D-Druck mit der Tochter Premium Aerotec (PAG) zusammen.

Im deutschen Werk in Varel bedeutet der Wandel, dass 50 Prozent der Teile rausfliegen. Das Luftfahrtbundesamt hat den 3D-Produktionsbetrieb Anfang August zugelassen. Airbus druckt seitdem ein kompliziertes Titan-Krümmteil für den Militärtransporters A400M. Bei Zivilmaschinen wird mit Haltern begonnen, wie sie seit einem Jahr in Testmaschinen vom Typ A350 eingebaut werden. Zudem sollen Ersatzteil-Sets aus dem 3D-Druck angeboten werden, die problemlos bei der Wartung älterer Jets eingebaut werden können. Leichtere Rollen können etwa im Frachtbereich einige Dutzend Kilo Gewicht einsparen. Gerade schaut sich Peter Sander, Leiter der 3D-Strategie bei Airbus, einen neuen Drucker-Typ in Südafrika an: "Bei der Firma AeroSud steht der weltweit bisher leistungsstärkste 3D-Drucker", so Sander. Dieser könne Komponenten von zwei Metern Länge produzieren.

Potenzielle Kandidaten rausfiltern.

Der Flugzeugriese war der erste, ihm folgen aber bereits andere. „Der Anteil an generativen Verfahren für das Erzeugen von Ersatzteilen wird zunehmen“, ist Riester überzeugt. In Österreich rede zwar noch keiner öffentlich darüber, aber laut dem Fraunhofer-Mann prüfen Unternehmen längst, wie diese Technologie gewinnbringend in der Kette ihrer Ersatzteillogistik einzusetzen ist. Auch Fraunhofer Austria forscht intensiv in diesem Bereich. So will man für heimische Maschinenbauer herausfinden, für welche Ersatzteile sich generative Verfahren lohnen und für welche nicht. Dafür entwickeln die Fraunhofers gerade eine eigene Logik, die aus mehreren Tausend Maschineneinzelteilen klar die potenziellen 3D-Kandidaten rausfiltert. (eb)