Leonhard Muigg : Drei Wege, wie sich Digitalisierung angehen lässt

Leonhard Muigg
© Siemens / Nitsche

Strategie 1: Das Digital Enterprise

Der komplexeste und intensivste Ansatz ist sicher der Digital Enterprise Projekt-Ansatz. In dieser Umsetzungsstrategie wollen Unternehmen komplett neue Wege in Geschäftsmodellen oder Fertigungsmethoden gehen und entwickeln. Adidas arbeitet an einem neuen Shopkonzept, wo es keine Produktregale mehr geben soll, sondern über biometrische Daten und Zusatzinformationen das Profil bzw. die Anforderungen des neuen Sportschuh ermittelt werden und dieser Chip dann in den Schuh eingedruckt wird und so als Device zur Trainingsunterstützung und für das Schuhdesign herangezogen werden kann. Hier handelt es sich aber immer um mehrjährige und forschungsintensive Projekte. Etwas, womit sich, trotz des enormen Potenzials, nur ganz wenige beschäftigen können und wollen.

Strategie 2: Der Use Case

Die Industrie liebt den „Use Case“-basierten Ansatz. Also jene Strategie, die spezifisch auf einen Anwendungsfall ausgerichtet ist. Dabei werden Lösungen in konfigurierbaren, digitalisierten Modulen beschrieben. Diese Anwendungsbeispiele sind in den Management- Ebenen deshalb so beliebt, weil man hier eine klar umrissene Aufgabenstellung mit messbaren Parametern versehen kann - und so eine ROI-Darstellung erleichtert. Sprich, man hat am Ende Zahlen am Tisch, die den Aufwand auch rechtfertigen. Das wird vor allem im Maschinenbau für virtuelle Inbetriebnahme oder für das Energiemanagement gesucht. Auch Techniker bevorzugen diesen Ansatz, weil er lösungsorientiert ist. Dieser Zugang kann der richtige sein, hat aber seine Tücken. Die Gefahr liegt darin, dass man sich ein zusätzliches Datensilo – besser gesagt Datenfriedhof – schafft, nur um eine Aufgabe zu lösen. Gerne wird vergessen, dass diese „Use Cases“ den Gesamtprozess optimieren sollen. Ein Maschinenbauer, der zwar eine virtuelle Inbetriebnahme mit Bravour schafft, kann immer noch scheitern, weil dieser Use Case weder vertikal noch horizontal in den Informationsaustausch integriert ist.

Strategie 3: Das Digital Enterprise Collaborative

Sie haben also eine passende Strategie für Ihr Unternehmen gefunden, dann gilt es nun die richtige Technologieplattform auszuwählen. Eine schwierige Aufgabe. Schießen doch diese Plattformen derzeit wie Pilze aus dem Boden. Ein guter Tipp: Machen Sie die Wahl der optimalen Plattform abhängig von den Anforderungen aus den notwendigen Datenmodellen. Hier kommen digitale Zwillinge in Spiel. Sie helfen die richtige Datenstruktur und entsprechende Technologien zu finden. So definiert z.B. der digitale Produktzwilling die Anforderungen an das Produktdesign. Die Herausforderungen, flexibler und effizienter in der Fertigung reagieren zu können, werden durch das Konzept des digitalen Zwillings der Produktion beschrieben. Letzterer unterstützt die Transformation weg von der klassischen Stückliste hin zur Prozessstückliste. In dieser „Zwillings-Transformation“ liegt viel unbekanntes Optimierungspotenzial. Bei Siemens nennen wir das den „Digital Enterprise Collaborative Ansatz“. Einfach gesagt, eine digitale ganzheitliche Unternehmensstrategie, der immer drei Schritte vorausgehen: Die IST-Analyse, die Zieldefinition und das Technologie-Mapping. Klingt nach Consulting? Ist es aber nicht. Denn der Unterschied liegt genau in diesem Technologie-Match. Kein Unternehmen startet von der grünen Wiese weg. Es gilt bereits existierende Technologien mit neuen zu kombinieren. Ein „Matching“, wo man auch um Hilfe fragen darf und sollte.