Antriebsysteme : Brennstoffzelle: Comeback eines Geheimtipps?

Professor Thomas Weber
© Daimler AG

Unter den alternativen Antriebsystemen für Autos galt die Brennstoffzelle vor vielen Jahren als einer der ganz großen Hoffnungsträger. Längst wurde die „kalte Verbrennung“ mit Wasserstoff von Skeptikern für mausetot erklärt. Trotzdem erlebte sie in letzter Zeit ein überraschendes Comeback. Und dies vor dem Hintergrund, dass die ganze Welt heute von der Zukunft des Elektroautos mit Batterieantrieb spricht. Was ist passiert? Die Erwartungen, endlich leistungsfähigere Akkus für E-Autos zu entwickeln, konnten nach wie vor nicht erfüllt werden. Und als Toyota vor zwei Jahren auf der Los Angeles Auto Show 2014 die Limousine Mirai präsentierte, kam dies einem Weckruf unter den deutschen Herstellern gleich.

Hektische Betriebsamkeit

Im Januar hat Audi die Studie H-Tron Quattro mit Brennstoffzelle und einer Reichweite von bis zu 600 Kilometern vorgestellt. Danach soll ein Honda mit Wasserstoffantrieb folgen. 2017 kommt der Mercedes-Benz GLC F-Cell. Auch BMW und VW arbeiten fieberhaft an eigenen Lösungen. „Wir erforschen und bauen seit mehr als 30 Jahren Antriebstechnik auf Wasserstoffbasis. Wer jetzt behauptet, wir sind bei der Brennstoffzelle ganz spät aufgestanden, ist auf dem Holzweg“, sagt Entwicklungschef Klaus Fröhlich. Erst kürzlich meldete der VW-Konzern, dass die Brennstoffzellen-Forschung exklusiv an Audi vergeben werden soll. Innerhalb des Konzerns wird aktuell zur Brennstoffzellen-Technologie ein Gesamtkonzept erarbeitet. Aber auch der US-Bundesstaat Kalifornien hat es sich zum Ziel gesetzt, dass bis 2025 mindestens 15 Prozent der Fahrzeuge absolut emissionsfrei laufen. Dieses ambitionierte Ziel kann nur erfüllt werden, wenn die Hersteller ausreichend Elektro- oder Brennstoffzellautos anbieten. Im Vorteil ist dabei klar die Brennstoffzelle: Gemäß Gesetzestext erhält sie doppelt so viele Emissions-„Punkte“ wie ein E-Motor.

Bei Daimler, VW sind noch viele Fragen offen

Ob sich die Brennstoffzelle dann schlussendlich doch durchsetzt, bleibt allerdings noch offen. Das Comeback liegt wohl auch daran, dass führende Hersteller nicht in einen möglichen technologischen Rückstand geraten wollen. Folglich wird weiter investiert, ohne wirklich zu wissen, ob die Technologie überhaupt zukunftsfähig sein wird. Wobei die Voraussetzungen nicht ungünstig sind: Eine elektrische und damit emissionsfreie Fortbewegung ist mit handelsüblichen Reichweiten und Betankungszeiten kombinierbar. „Nach drei Minuten ist der Tank voll. Niemand muss also an der Tankstelle übernachten“, erklärt Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Audi-Entwicklungschef Stefan Knirsch sieht neben dem hohen Preis die fehlende Infrastruktur als große Hürde: „Vor 2020 sehe ich keine ausreichende Versorgung mit Wasserstoff-Tankstellen. Zudem sollte, damit ein Brennstoffzellen-Fahrzeug CO2-neutral unterwegs ist, der Wasserstoff aus erneuerbarer Energie hergestellt werden. Wir arbeiten daran.“ Einer der größten Kostentreiber der Brennstoffzelle ist das wertvolle Edelmetall Platin. Dieser Anteil muss von 30 Gramm auf unter 10 Gramm sinken. „Das entspricht dann dem Gehalt eines modernen Dieselkatalysators“, so Daimler-Chef Zetsche.

Lastwagen sind kein Problem

Ein zusätzlicher Vorteil der Brennstoffzelle: Sie lässt sich so erweitern, dass selbst große Lastwagen damit angetrieben werden könnten. Mit Batterien wäre das gegenwärtig extrem problematisch. Auch wenn sich die Brennstoffzelle für die klassischen PKW noch nicht optimal eignet, kann sie aber für den lokalen Güterverkehr, öffentlichen Nahverkehr oder Einsatz in Kommunalbetrieben mit zentralen Tankstellen eine gute Lösung bieten.

1. Sinkende Preise

Brennstoffzellen-Autos müssen bezahlbar werden. Die Autobauer gehen davon aus, dass der Serienpreis bald zwischen 30.000 und 50.000 Euro liegen wird.

2. Testmarkt Nordeuropa

In Skandinavien sollen Brennstoffzellen-Fahrzeuge verstärkt eingeführt werden, weil diese Länder schon heute führend bei Wasserkraft- oder Windenergie sind. Es wird ein flächendeckendes Netz an Tankstellen entstehen. Ab 2025 will Norwegen sämtliche Diesel und Benzinautos verbieten. In Österreich diskutiert man derzeit über Strafsteuern für neu gekaufte Diesel- und Benzinautos ab 2020.

3. Energie-Mobilitäts-Grid

In der dezentralen Energieversorgung kann das Brennstoffzellen-Auto einen festen Platz einnehmen. Nach Gebrauch wird das Auto direkt an das häusliche Energiesystem eines Hauses angeschlossen. Autos können dann aber auch Energie abgeben, die gerade für den Haushalt gebraucht wird. Autos stehen so nicht mehr „dumm rum“, sondern überbrücken über Micro-Grids Spitzenzeiten in der Energienutzung.

4. Realistische Klimaziele

Brennstoffzellen-Fahrzeuge werden einen großen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrsbereich leisten. Experten rechnen mit Marktanteilen von 20 bis 50 Prozent am weltweiten Fahrzeugabsatz im Jahr 2050.

Der schwäbische Autobauer will 2017 die Stromgewinnung auf Wasserstoffbasis im neuen Kompakt-SUV GLC F-Cell mit einer Plug-in-Batterie kombinieren. Damit steigt die Reichweite des Fahrzeugs – absolut emissionsfrei - auf mehr als 500 Kilometer.

Bei leerem Wasserstofftank ist der Plug-In-Hybrid in der Lage, mit dem Strom aus der Batterie noch rund 50 Kilometer weiterzufahren. Der Akku ist an jeder Haushaltssteckdose aufladbar.

Die Antriebseinheit wurde so kompakt entwickelt, dass sie unter die Motorhaube des GLC passt. Im Vergleich zu bisherigen Brennstoffzellenmodulen reduziert sich der Bauraum um rund 30 Prozent, die Systemleistung steigt um 40 Prozent und der Anteil an Platin sinkt sogar um 90 Prozent. Auf diese Weise können die Verkaufspreise deutlich gesenkt werden.