Werkstoff-Forschung : Bessere Prognostik der Lebensdauer von Kunststoffen

Laborbewitterung von Kunststoffbauteilen Fraunhofer LBF
© Fraunhofer LBF/Raapke

Es gibt eine Menge Einflüsse, die Kunststoffe nicht mögen – wechselnde Temperaturen, Sonnenstrahlung, Feuchte, chemische Substanzen und mechanische Belastungen verändern die Materialeigenschaften und verkürzen die Lebensdauer. Doch kann man diesen Effekt belastbar vorhersagen? Dafür bedarf es neben Prüfmethoden, die Schädigungen frühzeitig erkennen, geeigneter Alterungs- und Versagensmodelle sowie anwendungsrelevanter Schadenskriterien. Um die Material- und Bauteilentwicklung zu beschleunigen, ist es zudem von Vorteil, die Dauer der Prüfzyklen, der Klimalagerung oder der Laborbewitterung zu verkürzen.

Am Darmstädter Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF arbeite Forscherteams an maßgeschneiderten Prüfmethoden und koppeln diese mit Modellierungssoftware zur Lebensdauervorhersage für komplexe Einsatzszenarien. Das Resultat sind kürzere Entwicklungszeiten und ein verringertes Ausfallrisiko im späteren Einsatz.

Nahe am Anwendungsfall

Um die Betriebssicherheit von Kunststoffbauteilen zu garantieren, sind belastbare Aussagen zur Lebensdauer erforderlich, die den konkreten Anwendungsfall so gut wie möglich widerspiegeln müssen. Beispiele sind Kunststoffe und polymerbasierte Beschichtungsmaterialien im Außenbereich, Bauteile unter stark wechselnden thermischen und mechanischen Lasten oder Druckbehälter für organische Flüssigkeiten bei hohen Temperaturen. Besonders wichtig ist eine zuverlässige Lebensdauervorhersage für sicherheitsrelevante Kunststoffanwendungen wie Gefahrstoffbehälter, tragende Bauteile oder Injektionsdübel für lasttragende Befestigungen.

Für die Material- und Produktentwicklung sowie zur Verringerung der Versagenswahrscheinlichkeit im Einsatz sind zeit- und kostenaufwendige Tests erforderlich. Der Beschleunigung solcher Versuche durch erhöhte Temperaturen, Umgebungsfeuchte, Bestrahlungsstärke oder kürzere Prüfzyklen sind Grenzen gesetzt. Noch schwieriger ist es, Alterung und Versagen für neue Betriebszyklen oder für den Einsatz unter veränderten Umgebungsbedingungen vorherzusagen.

Experimente und Modellierung

Im Bereich Kunststoffe des Fraunhofer LBF arbeiten interdisziplinäre Teams eng zusammen, um die Alterungsvorgänge und Versagensmechanismen von Kunststoffen besser zu verstehen und die zugehörigen Material- und Lebensdauermodelle zu verbessern. Das Ziel sind optimierte Prüfverfahren und Software-Tools zur Lebensdauervorhersage für komplexe Einsatzszenarien.

Indem sie Alterungsexperimente und Modellierung koppeln, können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Lebensdauer und Versagensrisiko für vorgegebene Einsatzfälle besser abschätzen. Durch Superposition von aufeinanderfolgenden Temperatur-, Feuchte-, Bestrahlungs- und mechanischen Lasten können sie nahezu beliebige Szenarien nachstellen. Als Eingangsgrößen dienen dabei zeitaufgelöste Messdaten für verschiedene Betriebszustände, Wetterdaten oder hypothetische Einsatzszenarien.

Eine Toolbox, sie zu knechten

Am Fraunhofer LBF steht hierfür eine Toolbox, bestehend aus Klimalagerung und Bewitterung, vielfältigen Mess- und Prüfmethoden, einer breit gefächerten chemischen Analytik und anpassbaren Alterungs- und Lebensdauermodellen, zur Verfügung.

Die Vorgehensweise lässt sich direkt mit der Bauteilauslegung mit FE-Methoden koppeln. Gemeinsam mit Industriepartnern passen die Darmstädter diese an die jeweilige Fragestellung an und begleiten die Überführung in bestehende Abläufe und vorhandene Infrastruktur. Das Resultat sind anwendungsbezogene Prüfvorschriften, kürzere Entwicklungszeiten und ein verringertes Ausfallrisiko im späteren Einsatz. Zielgruppe sind Hersteller und Anwender von Kunststoffkomponenten und -bauteilen sowie polymerbasierten Beschichtungsmaterialien in nahezu allen Wirtschaftsbereichen.