Retrofitting : Aus Alt mach Neu

© Mölle

Um Industrie 4.0 zu leben und im Konkurrenzkampf zu überleben, sind viele kleine und mittlere Unternehmen dabei zu digitalisieren. Gerade in den unsicheren Zeiten der Coronakrise werden kostspielige Investitionen in neue Maschinen oder digitale Technologien aber oftmals mit Zurückhaltung getätigt. Doch zum Glück müssen ältere und technisch veraltete Maschinen nicht immer entsorgt und ersetzt werden!

Beim Retrofitting werden sie stattdessen für das digitale Zeitalter aufgerüstet und können weiter eingesetzt werden. Dazu werden einzelne Komponenten ausgetauscht, erweitert oder verändert, während die Maschine an sich dieselbe bleibt. Ältere Maschinen lassen sich auf diese Weise beispielsweise mit Sensorik ausstatten und durch Vernetzung in digitale Produktionsprozesse integrieren.

Hier wird digitalisiert

Von einem solchen Retrofitting profitiert auch die Mölle GmbH im deutschen Kastellaun. Das Unternehmen entwickelt und fertigt Verpackungslösungen und wurde im Rahmen des Mittelstand-Digital vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Bei der Unterstützung des Projekts ging es darum, einen Sensor in die Bestandsanlage zu implementieren. Es wurde eine Stanzmaschine nachgerüstet, die aus kilometerlangen Vollpapperollen die Längs- und Querstege für Innenverpackungen herausstanzt. Im Einsatz ist nun ein hydraulischer Drucksensor, der den Pappverbrauch misst. Durch die Druckwerte wird das Gewicht der Rolle kontinuierlich überprüft und rechtzeitig erkannt, wann die Papprolle aufgebraucht ist. Somit wird nicht nur der Ressourcenverbrauch kontrolliert, sondern die Prozesse werden insgesamt effizienter gestaltet. Die Mitarbeiter in der Lagerlogistik erhalten frühzeitig die Information, wann eine neue Rolle benötigt wird. Die Daten des nachgerüsteten Sensors werden dafür von einem Edge Device, einem am Sensor angebrachten Minicomputer, gesammelt, ausgewertet und weitergeleitet.

Viel Retrofitting für wenig Geld

Retrofitting-Projekte müssen je nach Umfang der Umrüstmaßnahmen noch nicht einmal teuer sein: Im Beispiel von Mölle beliefen sich die Kosten für die nötigen Sensoren und das Edge Device auf wenige Hundert Euro, da auf die bestehende IT-Infrastruktur des Unternehmens zurückgegriffen werden konnte. „Gerade im Fall der Anbindung von Altmaschinen an moderne IoT-Plattformen gibt es bereits fertige Pakete für kleines Geld“, erklärt Jens Popper vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Die damit effektiv verbesserten Prozesse spielen Kosten schnell wieder ein. Popper sieht im Retrofitting deutlich mehr als bloß eine Spielerei des Industrie-4.0-Zeitalters, sondern eine intelligente Investition in die Zukunft. „Es würde keinen Sinn machen, eine gut funktionierende Maschine zu ersetzen, nur weil die Displays veraltet sind. Retrofit darf nicht als rein technischer Selbstzweck verstanden werden, sondern als handfester Wettbewerbsvorteil“, argumentiert er.

Was Retrofitting noch kann

So ist die Modernisierung veralteter Technik auch längst nicht das einzige Gebiet, auf dem Retrofitting sinnvoll eingesetzt werden kann: Auch funktionstüchtige, aber umständlich zu bedienende Maschinen können vereinfacht werden, wodurch zum Beispiel Einarbeitungszeiten gesenkt werden können. Zusätzlich kann Retrofitting beim Thema Arbeits- und Maschinensicherheit sinnvoll sein, denn es handelt sich um eine der unkompliziertesten Methoden, Altmaschinen an gängige Richtlinien anzupassen. Vor allem hilft die digitale Anbindung dabei, Transparenz herzustellen, die für langfristige Verbesserungen benötigt wird. Die Fertigung kann durch neue Daten und Erkenntnisse über die bestehenden Arbeitsprozesse kontinuierlich verbessert werden, ohne hohe Investitionskosten zu verursachen.