Automatisierung : Wie ein Roboter Wertschöpfung zurück nach Österreich holte

Neubacher Metalltechnik Alexander Pflaum Gerald Kriegl
© Factory / Wolfgang Simlinger www.simi.at

Was in der Großserienproduktion der Automobilindustrie bereits gängig ist, davor scheuen mittelständische Betriebe zurück: Automatisiertes Schleifen für Kleinserien war bis dato wirtschaftlich undenkbar. Der Trauner Familienbetrieb Neubacher krempelt das aber gerade um. Bei Neubacher Metalltechnik entsteht gerade eine Roboterzelle der anderen Art. Mit einer sensitiven Roboterlösung automatisieren die Trauner als Erste ihrer Branche den ansonsten streng händischen Schleifprozess von komplexen Nirosta-Bauteilen. Neubacher gelingt damit nicht nur automatisierungstechnisch ein Durchbruch, sie holen auch die einst nach Ungarn ausgelagerte Wertschöpfung zurück nach Österreich.

Keine Erfahrungswerte

Über 100 Stunden händische Schleifarbeit pro Stück braucht es, damit die Oberflächengüte von Nirosta-Bauteilen den hohen Standards der Lebensmittelindustrie entspricht. Für Geschäftsführer Alexander Pflaum – der die Entwicklung von internationalen Lohnkosten kennt – Grund genug, hier eine Alternative zu finden. Denn auch der Osten büßt mittlerweile seinen Ruf als Billigoase ein. „Auch dort steigen die Lohnkosten“, so Pflaum. Mit flexibler Automatisierungstechnik wollen die auf Schweiß- und CNC-Bearbeitungsdienstleistungen spezialisierten Trauner also auch im Bereich robotergestützter Prozessautomatisierung ganz vorne mitspielen. In die Hände spielen ihnen dabei preisliche Konditionen, die vor ein paar Jahren noch undenkbar waren. Längst hat Pflaum den schleichenden Preisverfall in der Industrierobotik bemerkt und nutzt das für das neue Roboterprojekt. Dabei haben sich die Trauner einer großen Herausforderung gestellt, denn „ein Roboter, der ein Standardteil schweißt, ist nicht innovativ“, erklärt Pflaum. „Diese Maschine wird gekauft, angeschlossen und funktioniert. Wir wollen das aber auf den doch sehr komplexen Prozess des Schleifens ummünzen.“ Auf Erfahrungswerte können die Trauner dabei nicht zurückgreifen. Sie tragen demnach das volle Risiko, das sich aber mittlerweile in ersten Versuchen minimiert.

Sensitiver Flansch für konstante Kraft

Herzstück der Neubacher-Schleifroboterzelle ist neben einem ABB-Roboter ein sensitiver, aktiver Kontaktflansch der Linzer Innovationsschmiede FerRobotics. „Dieser ist für den Schleifprozess unumgänglich“, erklärt Projektverantwortlicher Gerald Kriegl. „Damit schleifen wir die Oberfläche mit einer konstanten Kraft. „Was der Mitarbeiter also früher mit Gefühl machte, übernimmt nun dieser aktive Kontaktflansch. Die ersten Schleifversuche am Kubus stehen noch aus, „wir entwickeln gerade noch die entsprechenden Anschleifparameter“, erklärt Kriegl. Denn die große Kunst in diesem Projekt – und wohl auch der Grund, warum es so etwas noch nicht gibt – ist es, dem Roboter die Bearbeitung von komplexen teilweise geschwungenen Bauteilen in einer Art zu lehren, die es ermöglicht, Einzelstücke und Kleinserien kosteneffizient zu fertigen. Der Roboter fährt dabei vordefinierte Linien unter konstanter Kraft ab. Die Software dazu entwickelten die Trauner selbst – was ihnen noch fehlt, ist eine entsprechende Visualisierung der Roboterfahrwege.

Vollautomatischer Werkzeugwechsler

Im Moment schleift die Maschine also nur Flächen, aber schon bald wollen die Trauner bereits Rundungen und Kanten schaffen. Ein Highlight des Projekts: Der vollautomatische Werkzeugwechsler von FerRobotics, der sich gerade im Patentverfahren befindet. Bereits Ende des Jahres soll der Roboter einen Schleifkörper von über zwei Metern Seitenlänge pro Tag schaffen. Was bei den Traunern bis zu 200 Bauteile pro Jahr bedeutet. Wo also der Mensch früher über 100 Stunden härteste Schleifarbeit investierte, braucht der Roboter bald nur mehr 20 Stunden. Das Gefühl, von einem Roboter ersetzt zu werden, hatten die rund 150 Mitarbeiter des Unternehmens und der strategischen Partner dabei nie. Im Gegenteil: Indem die Trauner nun Bauteile für ihre Kunden wie der Maschinenfabrik Laska, Salvagnini Maschinenbau, Engel, voestalpine und Co schneller, qualitativ hochwertiger und kostengünstiger anbieten können, schaffen sie auch ein größeres Volumen „und dafür benötigen wir im nächsten Jahr drei bis vier neue Mitarbeiter“, resümiert Pflaum. Obendrein verbessert der Roboter auch die CO2-Bilanz. Denn bisher mussten die in Ungarn geschliffenen Teile für die mechanische Nachbearbeitung nach Österreich transportiert werden. Das fällt nun weg.

Faktencheck

FerRobotics aktiver Kontaktflansch

Hub 35 mm

max. Kraft 200 N ziehen und drücken

Gewicht 3,5 kg

ABB-Roboter IRB6640 180/255

Reichweite 2,55 m

Gewicht ca. 1400 kg

Steuerung IRC5

Investitionsvolumen: über 750.000 Euro